Geschichte Israel-Palästinas

In diesen Artikeln erläutert Francesco Merli die dubiosen Geschäfte und Machenschaften der imperialistischen Nationen, die den Weg für die Teilung des damaligen Palästinas geebnet haben. Dieser Abschnitt der Geschichte bestätigt die Kurzsichtigkeit der herrschenden Klasse, die die mit Gewalt und Erniedrigung gefüllte Büchse der Pandora öffnete, welche das Land seither wie eine Plage heimsucht. Wichtige historische Ereignisse werden behandelt, vom Sechstagekrieg bis zur ersten Intifada.

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Durch die Betrachtung der gesamten Geschichte der Region und insbesondere Israels und Palästinas werden die Klasseninteressen, die oft verdeckt werden, offen dargelegt.

In den letzten hundert Jahren diente der Nahe Osten als Spielbrett für viele entscheidende Schachzüge zwischen den imperialistischen Mächten. Der Grund für die Bedeutung dieser Region, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als eher nebensächlich galt, ist wohlbekannt: Im Nahen Osten liegen die größten Erdölvorkommen des Planeten. Palästina geriet aus mehreren geopolitischen und historischen Gründen immer mehr in den Mittelpunkt der Konflikte im Nahen Osten.

Der langwierige Zerfallsprozess des Osmanischen Reiches wurde durch die „Jungtürkische“ Revolution im Juli 1908 plötzlich beschleunigt, war aber erst nach der Niederlage des Reiches im Ersten Weltkrieg abgeschlossen.

Das Osmanische Reich hatte bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts die Kontrolle über einen Teil seiner europäischen Provinzen verloren. Während dieser Zeit übernahmen Großbritannien und Frankreich zudem die Kontrolle über weite Teile Nordafrikas. Frankreich übernahm 1830 Algerien und besetzte 1881 Tunesien. Großbritannien eroberte 1882 Ägypten und den Sudan. Sogar eine zweitrangige Macht wie Italien nahm sich ein Stück des Reiches, indem es 1911 Libyen besetzte.

Die Regierung der Jungtürken trat an der Seite der Mittelmächte (Deutschland und Österreich-Ungarn) in den Krieg ein. Großbritannien und Frankreich hatten sich bereits lange vor Kriegsende darüber verständigt, wie sie die Beute des Reiches untereinander aufteilen würden. Die Briten und Franzosen waren es gewohnt, riesige Kolonialreiche zu beherrschen und einigten sich darauf, eine Reihe von künstlich voneinander getrennten Staaten zu erschaffen, deren Grenzen sie willkürlich mit einem Lineal auf der Landkarte einzeichneten. Die Verhandlungen wurden im Jänner 1916 mit dem geheimen Sykes-Picot-Abkommen (unter Zustimmung von Russland und Italien) abgeschlossen.

Dieses Abkommen wurde von den Bolschewiki (die russischen Revolutionäre unter der Führung von Lenin und Trotzki; Anm.) im November 1917, unmittelbar nach der Russischen Revolution, verurteilt und an die Öffentlichkeit gebracht – sehr zum Entsetzen der Imperialisten. Doch nach dem Krieg verlief die Teilung entlang der Grenzen, die Sykes und Picot abgemacht hatten. Frankreich übernahm die Herrschaft über Syrien und den Libanon. Großbritannien erhielt ein Mandat über Mesopotamien (dem heutigen Irak) und Palästina sowie ein Protektorat über die Marionettenmonarchie von Transjordanien (heutiges Jordanien).

Die britischen Imperialisten hatten auf zynische Art die Hoffnungen der arabischen Nationalisten auf ein arabisches Heimatland geweckt. Eine diesbezügliche Vereinbarung wurde von Sir Henry McMahon, dem britischen Hochkommissar für Ägypten, in seinem Briefwechsel mit Hussein bin Ali, dem Scharif Mekkas, als Gegenleistung für die arabische Unterstützung im Krieg getroffen. Die Aufstände der Araber gegen die Osmanen spielten eine Schlüsselrolle im Untergang des Osmanischen Reiches. Die britischen Imperialisten hatten jedoch keinerlei Absicht, ihre Versprechen einzuhalten und waren viel mehr an der Erweiterung ihrer eigenen Einflusssphäre interessiert. Der Aufstieg des Nationalbewusstseins der Araber stellte eine strategische Gefahr für ihre imperialistischen Interessen dar.

Die „Judenfrage“ und der Zionismus

Die Geschichte der jüdischen Einwanderung nach Palästina ist eng verknüpft mit dem Aufstieg der zionistischen Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts. Bis zu diesem Zeitpunkt machte die einheimische jüdische Bevölkerung in Palästina einige tausend Leute aus, die sich hauptsächlich auf die städtischen Gegenden konzentrierte.

Ein Wendepunkt war die Welle an Pogromen durch die Geheimpolizei im Russischen Reich, welche gegen die jüdische Minderheit entfesselt wurde, die für das Attentat auf Zar Alexander II. im Jahr 1881 verantwortlich gemacht wurde. Wütende Mobs, die von angeheuerten Provokateuren angestachelt wurden, stürmten jüdische Viertel, plünderten diese und griffen die Bevölkerung an. Hunderttausende Juden flohen aus Russland und der Ukraine, um der Terrorkampagne von Ermordungen, Prügelattacken, Vergewaltigungen, Lynchmorden und der Zerstörung ihrer Existenzgrundlage und ihres Eigentums zu entkommen. Weitere Pogromwellen folgten in den Jahren 1903-1906 und eine noch größere wurde 1917 und 1921 von den weißen Armeen während des Bürgerkriegs gegen die bolschewistische Revolution entfacht.

Ende des 19. Jahrhunderts schlug ein weiterer Vorfall riesige Wellen. 1894-1895 wurde Alfred Dreyfus, ein französischer jüdischer Offizier, zu Unrecht wegen Landesverrat verurteilt. Sein Gerichtsverfahren führte zu verstärktem Antisemitismus in Frankreich. Die „Dreyfus-Affäre“ spielte eine wichtige Rolle in der Bekehrung des kosmopolitischen jüdischen bürgerlichen Intellektuellen Theodor Herzl (1860-1904) zum Zionismus. Tatsächlich verfasste Herzl im Anschluss an die Gerichtsverhandlung die Schrift Der Judenstaat, die das politische Manifest des Zionismus werden sollte.

Herzl wurde zum Hauptorganisator und -theoretiker der zionistischen Bewegung und entwickelte sie zu einer internationalen Kraft. Er propagierte, eine Massenauswanderung der Juden von Europa nach Palästina zu organisieren. Er kam ebenfalls zu dem Schluss, dass der Anstieg der antisemitischen Tendenzen in Europa unter Umständen als hilfreich für das zionistische Projekt angesehen werden sollte, da dieser ein Druckmittel gegen die von ihm betrachtete säkulare jüdische Trägheit sein könnte.

Deshalb basierte das zionistische politische Projekt auf dem Bemühen, die europäischen Staatsoberhäupter und -minister (welche oft leidenschaftliche Antisemiten waren) zu überreden, dass die Auswanderung der Juden nach Palästina eine einmalige Gelegenheit darstellte, sich des „jüdischen Problems“ zu entledigen. Ebenso versuchte er diese Herren zu überzeugen, dass ein jüdischer Staat in Palästina für die Großmächte nützlich sein könnte, um „für Europa den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei Asiens“ zu besorgen.

Von Anfang an musste sich das zionistische Projekt auf die Gunst einer der imperialistischen Hauptmächte als Garantie für seinen Erfolg verlassen.

Herzl versicherte den osmanischen Behörden öffentlich, dass die jüdische Einwanderung dem Reich nur materiellen Nutzen bringen würde, um die notwendige Einwilligung der osmanischen Behörden sicherzustellen. Insgeheim erkannte er jedoch, dass es keinen jüdischen Staat ohne Enteignung und Vertreibung der Palästinenser geben könne.

„Den Privatbesitz der angewiesenen Ländereien müssen wir sachte expropriieren. Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern. (…) Das Expropriationswerk muß ebenso wie die Fortschaffung der Armeen mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen.“, schrieb Herzl 1895 in sein Tagebuch.

Die Umsetzung der zionistischen reaktionären Utopie verwandelte Palästina in ein Schlachtfeld und würde den Palästinensern (aber auch den jüdischen Siedlern) unsagbares Leid zufügen. Ihre reaktionären Folgen halten bis heute an.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkörperte die zionistische Bewegung dennoch nur eine winzige Minderheit, beschränkt auf einen kleinen Kreis jüdischer bürgerlicher und kleinbürgerlicher Intellektueller und Wohltäter.

Die Entwicklung des arabischen Nationalbewusstseins

Die zionistische Führung hatte ständig Bedenken, dass die arabischen Arbeiter sich organisiert gegen ihre Ausbeutung auflehnen könnten. Eine weitere Angst lag darin, dass die Entwicklung eines Nationalbewusstseins die Araber verbünden könnte, um Widerstand gegen die zionistische Kolonisation zu leisten.

Das arabische Nationalbewusstsein begann sich in den 1880ern zu entwickeln. Die jungtürkische Revolution von 1908 erweckte Hoffnungen auf die Befreiung aller Völker des gesamten Osmanischen Reiches. Die rasche Hinwendung des neuen Regimes zum türkischen Nationalismus beschleunigte den massenhaften Prozesses der Ausprägung des Nationalbewusstseins bei allen Völkern des Reiches, besonders unter den Arabern, die ein Gebiet (das vom heutigen Irak bis nach Marokko reichte), eine gemeinsame Sprache und Tradition teilten.

In Palästina wurde dieser Prozess durch die wachsende Feindseligkeit gegen die Folgen der jüdischen Einwanderung noch weiter auf die Spitze getrieben. Jeder Landerwerb der Siedler bedeutete automatisch die Vertreibung der palästinensischen Bauern, die oft nicht wussten, dass die Eigentümer, gelockt vom steigenden Bodenpreis, das Land den Neuankömmlingen verkauft hatten. Dem Historiker Benny Morris zufolge stieg der durchschnittliche Bodenpreis von 5,3 Palästina-Pfund pro Dunam (osmanisches Flächenmaß, das ungefähr 1000 m2 entspricht) im Jahr 1929 auf 23,3 im Jahr 1935. 1944 betrug der Preis des Bodens 50-mal so viel wie im Jahr 1910.

Die Siedler sprachen weder Arabisch, noch waren sie mit der regionalen Kultur und den Traditionen vertraut und wollten darüber in vielen Fällen auch nichts lernen, sie missachteten lang bestehende Bräuche und beanspruchten Gemeindeländer, Weideflächen und vor allem den Zugang zu Wasserquellen. Es dauerte nicht lange, bis die Palästinenser zunehmend eine vom stetigen Zustrom von Siedlern ausgehende drohende Gefahr spürten.

Die Balfour-Deklaration

Das Interesse der Strategen des britischen Imperialismus wurde geweckt. Sie verstanden, dass das zionistische Projekt ein nützliches Werkzeug für Großbritanniens Pläne für den Nahen Osten nach dem Untergang des Osmanischen Reiches werden könnte.
Am 2. November 1917 wurde dieser Wandel in einem Brief zusammengefasst, der im Namen der britischen Regierung von Lord Balfour an Lord Rothschild und die Zionist Federation adressiert wurde. Die Deklaration besagt:
„Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, mit der Maßgabe, dass nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte.“
Der Nebensatz zeigte eindeutig, dass die britischen Imperialisten sogar damals ein klares Verständnis über die Implikationen ihrer Billigung hatten. Auf kapitalistischer Ebene führte die sogenannte „Lösung“ der jahrhundertealten Unterdrückung der Juden zwangsläufig dazu, dass sich die „Palästinenserfrage“ in besonders scharfer Weise stellte.

1923 schrieb ein rechter Zionist, Wladimir Jabotinsky, sein politisches Manifest: Die eiserne Mauer. Er erkannte die Bedeutung der Balfour-Deklaration und argumentierte, dass die Palästinenser mit einer „eisernen Mauer aus jüdischen Bajonetten“ gezwungen werden müssten, sich zu unterwerfen und ergänzte später – „britische Bajonette“. Aus seiner Sicht hing die Durchführbarkeit des zionistischen Projekts von der aktiven Unterstützung und Gunst des britischen Imperialismus ab.

Diese Unterstützung wurde Realität, nachdem das Osmanische Reich zerfiel und das britische Mandat über Palästina erteilt wurde.

Unter der britischen Herrschaft konnten die Zionisten halbstaatliche Institutionen errichten: die Jewish Agency als eine Art Regierung in Keimform; den Jüdischen Nationalfonds, um Finanzen zu lenken und Land zu erwerben und vor allem eine jüdische Miliz, die Hagana.

Dennoch befanden sich mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs immer noch nicht mehr als 60.000 Juden in Palästina, das bis 1908 erworbene Land machte nur 1,5% des verfügbaren Grund und Bodens aus. In den 1920er beschleunigte sich – als Resultat des britischen Mandats für Palästina – der Zustrom neuer Siedler. 1929 sah die Bilanz der jüdischen Einwanderung seit 1880 wie folgt aus: Von etwa 4 Millionen Juden, die in dieser Periode aus Mittel- und Osteuropa auswanderten, gingen nur 120.000 nach Palästina (manche davon nur vorübergehend), verglichen mit 2,9 Millionen in die USA, 210.000 nach Großbritannien, 180.000 nach Argentinien, 125.000 nach Kanada. Die jüdische Siedlerbevölkerung in Palästina wuchs, sie erreichte 150.000 im Jahr 1929 und stieg bis 1936 auf über 400.000 an.

Die zunehmenden Spannungen zwischen Palästinensern und Siedlern erreichten ihren Höhepunkt mit den Unruhen von Jaffa im Mai 1921, bei denen Dutzende Menschen auf beiden Seiten getötet wurden.

Im August 1929 wurde ein Aufstand der Palästinenser gegen die britische Besatzung zu einer blutigen Auseinandersetzung, bei der jüdische Gemeinden mehrmals angegriffen wurden. Einer dieser Angriffe traf die kleine palästinensische jüdische Gemeinschaft von Hebron (etwa 600 Menschen) – eine Gemeinde, deren Bestehen bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. 66 Juden wurden bei diesem Angriff getötet, obwohl viele Palästinenser versuchten, die Flüchtenden zu beschützen, indem sie sie in ihre Häuser aufnahmen. Die jüdische Gemeinde in Hebron wurde ausgelöscht. Die Hagana wehrte weitere Angriffe ab. Die tragische Bilanz der Todesopfer der „blutigen Tage“ im August 1929 lag bei 133 Juden und 116 Palästinensern.

Dies führte zum entscheidenden Anstoß für die Konsolidierung der jüdischen Miliz (Hagana), die zunehmend mit der britischen Besatzungsmacht zusammenarbeitete.

Die Gründung der Kommunistischen Partei Palästinas

In den 1920er und 1930er bot sich tatsächlich die Möglichkeit, gestützt auf die Arbeiterklasse eine revolutionäre Alternative aufzubauen, die den Ausbruch eines Bürgerkriegs verhindern hätte können, in dem jüdische und arabische Arbeiter alles zu verlieren hatten.

Anfang der 1920er förderte die Anwesenheit der britischen Kolonialverwaltung einen gewissen Grad der industriellen Entwicklung des Küstenstreifens, wodurch ein Wirtschaftssektor geschaffen wurde, in dem jüdische und palästinensische Arbeiter Seite an Seite arbeiteten. Diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf die überwiegend ländliche palästinensische Wirtschaft und führte zu einer starken Zuwanderung vom Land in die Küstenstädte.

Um die Kolonialverwaltung herum entstanden die Eisenbahn, die Telefongesellschaft, Post und Telegraf, Häfen und Werften, Zivilverwaltungen, denen die lokale Verwaltung von Städten mit gemischter Bevölkerung zugeteilt wurde, und im Privatsektor stellten manche großen Firmen mit ausländischem Kapital jüdische und palästinensische Arbeitskräfte an. Zum Beispiel die Zementwerke Nescher, das Terminal der Iraq Oil Company und die Raffinerie in Haifa, und die rasch expandierende Bauindustrie.

Zwischen den Volkzählungen von 1922 und 1931 wuchs die Bevölkerung der palästinensischen Araber um 40% und in Städten wie Jaffa und Haifa um jeweils 63% und 87%. Die Neuankömmlinge ließen die Reihen des Proletariats in allen Sektoren anschwellen, was schnell einen beachtlichen Anstieg der gewerkschaftlichen Kämpfe bedeutete. Zur Zuwanderung aus den ländlichen Gebieten gesellte sich die Einwanderung aus Nachbarländern, insbesondere aus Ägypten.

Der Mangel an jüdischen Arbeitskräften, um arabische Arbeit zu ersetzen, führte sehr oft dazu, dass billige jüdische Arbeiter aus dem Jemen oder dem Maghreb nach Palästina importiert wurden. Sie stellten einen Teil der jüdischen Arbeiterklasse dar, der besonders ausgebeutet wurde und weit entfernt war von der Mehrheit der Zionisten mit europäischen Wurzeln, die zum Großteil Jiddisch sprachen und alle Führungspositionen in den zionistischen Institutionen bekleideten.

In dieser Zeit entstand die wachsende Kluft zwischen aschkenasischen (aus Europa) und sephardischen Juden (Nachfahren der Diaspora spanischer Juden, die sich im Osmanischen Reich angesiedelt hatten), die die israelische Gesellschaft heute immer noch prägt. Die Sephardim sprachen Ladino, einen aus dem Spanischen stammenden Dialekt. Sie konnten oft Arabisch sprechen oder verstehen und gehörten zu einer sozialen Schicht, die etwas höher stand als die Masse des arabischen Proletariats. Unter diesen Bedingungen entstand schnell ein Klassenbewusstsein in dieser Schicht, die sich instinktiv den Arabern näher fühlte als den großen jüdischen Tycoons wie Rothschild und Co.

Die zionistischen „sozialistischen“ Parteien lehnten jedoch jede Forderung, die jüdischen Gewerkschaften auch für die arabischen Arbeiter zu öffnen, erbittert ab. Die Differenzen reichten von David Ben-Gurions Achdut HaAwoda, die für die gewerkschaftliche Organisierung der Araber waren, aber in getrennten Organisationen in „gleicher Würde“ (unter zionistischer Führung), bis hin zu Chaim Arlosoroffs HaPoel HaZair, die den rein jüdischen Charakter der gewerkschaftlichen Organisation verteidigte, um eine zunehmende Arbeitsteilung zwischen einer jüdischen Arbeiteraristokratie mit den qualifiziertesten und bestbezahlten Jobs und einer Masse an unorganisierten arabischen Arbeitern zu fördern.

Ein dritter Standpunkt wurde von einer anderen Partei der zionistischen Linken geäußert, der Poale Zion. Diese Partei ging zu halbrevolutionären Haltungen über, indem sie 1924 um Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Internationale (KI) ansuchte, sich allerdings nicht vollständig vom Zionismus lossagte. Die KI weigerte sich eine Partei aufzunehmen, die nicht komplett frei vom Zionismus war. Dies führte zu einer Spaltung und der Gründung der Kommunistischen Partei Palästinas (KPP). Die neue Partei wurde sofort aus der zionistischen Gewerkschaft Histadrut ausgeschlossen.

Arbeitskämpfe und Klasseneinheit

Die KPP vertrat eine Position zugunsten gemeinsamer Gewerkschaften, ohne Diskriminierung entlang nationaler oder religiöser Linien. Indem sie diese politische Linie verfolgte, konnte die KPP die wachsende Radikalität und Forderungen nach Einheit, die sich aus den Erfahrungen der Arbeiter ergaben, zu ihrem Vorteil nutzen. Der Drang zur Einheit wurde aber sowohl von der zionistischen Führung als auch den arabischen Nationalisten abgelehnt und behindert.

Die KPP schlug ihre Wurzeln in der arabischen und der jüdischen Arbeiterklasse. Die Partei veröffentlichte zwei Zeitungen in zwei Sprachen. Obwohl sie ihre Hauptunterstützung unter den arabischen Arbeitern fand, gewann die KPP 8% der Stimmen in der Wahl für den Jischuv (den jüdischen Rat), über 10%, wenn man die Stimmen in den Städten betrachtet.

Ein Ereignis – kurz andauernd, aber bedeutsam – zeigte das Potenzial für die Entwicklung der Klasseneinheit während eines Streiks. Zweihundert jüdische Arbeiter der Zementwerke Nescher in Haifa wurden im Streik von 80 ägyptischen Mitarbeitern, die weniger Rechte hatten und halb so viel bezahlt bekamen, unterstützt und brachten ihre eigenen Forderungen vor. Nach einem zweimonatigen Streik machte der Chef Zugeständnisse für ein paar der Forderungen der jüdischen Arbeiter. Die Arbeiter stimmten mit 170 zu 30 gegen diesen Deal (und widersetzten sich somit der Linie ihrer eigenen Gewerkschaft) und schworen so lange zu streiken, bis die Forderungen ihrer ägyptischen Genossen vollständig erfüllt würden. Die Gefahr, dass so ein Beispiel ansteckend sein könnte, brachte die Führung der Histadrut dazu, Druck auf die britische Kolonialverwaltung auszuüben, die hart gegen den Streik vorging, indem sie alle 80 ägyptischen Arbeiter deportierte.

Eine Bereitschaft zur Arbeitereinheit im Kampf ergab sich mehrere Male zwischen 1925-1935. Man sollte hier den Streik der Bäcker erwähnen, die Kämpfe der Hafenarbeiter in Haifa und der Bahnarbeiter, den Streik des öffentlichen Verkehrs und der Taxifahrer im Jahr 1931. 1935 ereignete sich ein wichtiger Kampf der Arbeiter in der Iraqi Oil Company und der Haifa-Raffinerie.

In diesen Jahren organisierte die KPP Gewerkschaften unabhängig von der Histadrut und gewann in vielen Gebieten eine wichtige Unterstützungsbasis unter der Mehrheit der arabischen und vieler jüdischer Arbeiter. Ihre Erfolge zwangen die Zionisten, ihre Taktik zu ändern und arabische Gewerkschaften zu fördern, die sich mit den zionistischen Gewerkschaften zusammenschlossen, um dem Einfluss der Kommunisten entgegenzuwirken.

Das enorme Potenzial, das das Wachstum der KPP darstellte, wurde jedoch durch die Folgen der stalinistischen Degeneration der UdSSR zunichte gemacht. Die sowjetische Bürokratie unter Stalin verwandelte die Kommunistische Internationale in ein reines Werkzeug für ihre diplomatischen Interessen. Das bedeutete, die korrekte revolutionäre Politik der Einheit der Arbeiterklasse aufzugeben, indem man sich mit dem arabischen Nationalismus während des Großen arabischen Aufstands in Palästina 1936-1939 anbiederte, was den Verlust der Unterstützung für die KPP unter den meisten jüdischen Arbeitern zur Folge hatte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die KPP noch härter getroffen, da Moskau eine Kehrtwende machte und im Krieg mit dem britischen Kolonialismus zusammenarbeitete, was die Parteibasis in der palästinensischen Arbeiterklasse schwächte, bevor der Partei schlussendlich 1948 der Gnadenstoß gegeben wurde, als die UdSSR sich entschied, die Gründung von Israel zu unterstützen.

Die reaktionäre Rolle der palästinensischen Elite

Das frisch entstandene nationalistische Lager unter den Palästinensern wurde von einigen wenigen einflussreichen Familien beherrscht, die Kommunalbeamte, Richter, Polizisten, religiöse Amtsinhaber und Staatsbedienstete im Osmanischen Reich und später in der britischen Kolonialmacht stellten. Sie erhoben sich zur nationalen Führung der Palästinenser. Doch eine riesige Kluft trennte die Elite von den weitgehend armen und ungebildeten Massen.

Der Kampf um die Vorherrschaft zwischen der arabischen Husseini- und der Naschaschibi-Familie Mitte der 1930er führte zur Gründung zweier verfeindeter arabisch-nationalistischer Parteien. Die Nationale Verteidigungspartei der Naschaschibi-Familie wurde von der radikaleren nationalistischen Arabischen Partei Palästinas gekontert. Doch die ganze Treue zum arabischen Nationalismus hinderte die beiden Familien nicht daran, sich zu einer Vielzahl von Menschen zu zählen, die im Geheimen Land an die Zionisten verkauften.

Die Arabische Partei Palästinas radikalisierte ihre Positionen entlang einer antisemitischen Linie. Viele arabische Nationalisten (darunter auch der spätere ägyptische Präsident Anwar as-Sadat) sympathisierten offen mit dem Faschismus und Nationalsozialismus. Amin al-Husseinis Worte der Unterstützung für Hitler in einer Rede vor dem deutschen Konsul in Jerusalem sind bezeichnend: „Die Muslime innerhalb und außerhalb von Palästina heißen das neue Regime in Deutschland willkommen und hoffen, dass sich das faschistische anti-demokratische Regierungssystem auf andere Länder ausbreiten wird.“

Bewaffnete arabisch-nationalistische Gruppierungen entstanden. Die Schwarze Hand, geführt von Scheich Izz ad-Din al-Qassam, verübte seit 1931 vereinzelte Angriffe auf jüdische Siedler. Al-Qassam wurde am 21. November 1935 von britischen Truppen in einem Hinterhalt getötet, was ihn zu einer Symbolfigur der arabischen Nationalisten machte.

Das Tempo der jüdischen Einwanderung nahm während der 1930er weiter zu. Zwischen 1931 und 1934 wurde Palästina von einer langanhaltenden Dürre getroffen. 1932 fiel die landwirtschaftliche Produktion je nach Feldfrucht und betroffener Region um 30 bis 75%. Dies verarmte palästinensische Dörfer und führte zu einer Überfüllung der Slums um Jaffa und Haifa. Zudem wurde das Land von einer Finanzkrise getroffen, die durch die Folgen der Abessinien-Krise ausgelöst wurde und zum Bankrott vieler Firmen führte. Die Kombination dieser Faktoren verschärfte die Lage der palästinensischen Massen.

Der Große arabische Aufstand von 1936-1939

Die Konflikte von 1921 und 1929 waren zwar brutal und blutig, trafen aber nur eine kleine Schicht der arabischen und jüdischen Bevölkerung direkt.

Im April 1936 breitete sich der palästinensische Aufstand jedoch von den Städten ausgehend massenhaft aus, in denen durch die Initiative der radikalisierten Jugend, der Schabab, spontan „Nationalkomitees“ gebildet wurden. Die traditionellen Führer sträubten sich vor einer direkten Auseinandersetzung mit den britischen Behörden. Erst am 25. April wurde das Arabische Hochkomitee gegründet, um den Aufstand unter die Führung der Husseinis zu bringen.

Der Aufstand wurde durch einen sechsmonatigen Generalstreik der Araber sowie durch einen dauerhaften halb-aufständischen Kampf und einer bewaffneten Guerilla in ländlichen Regionen geprägt (von Mitte Mai bis Mitte Oktober).

Dass sich das Ausmaß dieses Aufstandes von den bisherigen unterschied, bemerkte Ben-Gurion selbst und schrieb, dass die Araber „gegen die Vertreibung (kämpfen) … Der Araber führt einen Krieg, der nicht ignoriert werden kann. Er tritt in den Streik, er wird getötet, er bringt große Opfer.“ Am 19. Mai 1936 meinte er auch, dass „(die Araber) genau das Gegenteil von uns (sehen). Es spielt keine Rolle, ob ihre Ansichten richtig sind… Sie sehen eine Einwanderung im großen Stil… Sie sehen, dass die Juden sich wirtschaftlich festigen… Sie sehen, dass die besten Ländereien in unsere Hände gelangen. Sie sehen, dass England sich mit dem Zionismus identifiziert.“

Die Zionisten (an deren Spitze die Gewerkschaft Histadrut stand) verfolgten eine aggressive Streikbrecherpolitik, die darauf abzielte, palästinensische Arbeiter in einem Unternehmen nach dem anderen durch jüdische zu ersetzen. 1937 erklärte der Sekretär des Gewerkschaftsverbandes in Jaffa den Standpunkt der Zionisten folgendermaßen: „Das grundlegende Ziel der Histadrut ist die ‚Eroberung der Arbeit‘. (…) Egal, wie viele Araber arbeitslos sind, sie haben kein Recht darauf, eine Stelle anzunehmen, die ein möglicher Einwanderer besetzen könnte. Kein Araber hat das Recht, in jüdischen Unternehmen zu arbeiten. Wenn Araber auch bei anderen Arbeiten verdrängt werden können… ist das gut.“

Die britischen Behörden hatten monatelang keine andere Wahl, als darauf zu warten, dass der Aufstand an Stärke verlor. Erst am 7. September wurde das Kriegsrecht ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt. 20.000 Soldaten wurden aus Großbritannien und Ägypten eingezogen und zusätzlich von 2.700 jüdischen Polizisten unterstützt. Die Aufstandsbekämpfung begann, die die arabische Führung zwang, den Streik bis zum 10. Oktober abzusagen, in der Hoffnung, eine Verhandlungslösung zu erzielen.
Die britische Regierung berief eine Königliche Kommission unter dem Vorsitz von Lord Peel ein, um eine Untersuchung durchzuführen und die Bedingungen für eine Schlichtung des palästinensisch-zionistischen Konfliktes festzulegen. Der am 7. Juli 1937 veröffentlichte, 404-seitige Peel Report empfahl die Teilung Palästinas: 20% des Gebiets sollten an die jüdische Autonomiebehörde gehen; Jerusalem und ein Korridor nach Jaffa sowie die Küstenstädte mit einer gemischten Bevölkerung sollten unter britische Verwaltung gestellt werden; der Rest sollte sich Transjordanien anschließen und einen gemeinsamen arabischen Staat bilden. Die Folge dieses Vorschlags wäre die Zwangsumsiedelung von 225.000 Palästinensern und 1.250 Juden.

Die zionistischen Führer Weizmann und Ben-Gurion sahen den Peel Report als Sprungbrett für eine weitere Expansion. Weizmann bemerkte: „Die Juden wären Narren, wenn sie ihn nicht annehmen würden, auch falls (das ihnen zugeteilte Gebiet) so groß wie ein Tischtuch sein sollte.“ Der Bericht wurde also von den Zionisten akzeptiert, während er vom Arabischen Hochkomitee abgelehnt wurde.

Die zweite Phase des Aufstands

Im September 1937 nahm der Aufstand wieder an Fahrt auf, aber das Arabische Hochkomitee wurde durch eine heftige Fehde auseinandergerissen, als die Husseinis versuchten, im Juli 1937 ein Attentat auf den Führer der gegnerischen Familie zu verüben. „Nun trennen Blutströme die beiden Fraktionen“, bemerkte Eliahu Sasson, ein hochrangiger Beamter der Jewish Agency im April 1939.

Der Aufstand verlief in einer Spirale aus Konflikten und Repression weiter. Das Arabische Hochkomitee wurde verboten und 200 seiner Führer verhaftet, viele von ihnen wurden gehängt, während andere flohen.

Der Peel Report spornte die rechte jüdische revisionistische Partei (die eine Revision des britischen Mandats forderte) dazu an, eine Terrorkampagne gegen einfache Palästinenser zu starten. Mehrere Bombenanschläge der Irgun Zwai Leumi wurden an palästinensischen Zivilisten an Bushaltestellen und Märkten verübt, bei denen Hunderte getötet und verstümmelt wurden.

Die bewaffneten Gruppierungen der Palästinenser agierten ohne ein zentralisiertes Kommando. Viele von ihnen hatten keine Perspektive und entwickelten sich zu kriminellen Banden, die palästinensische Bauern ausraubten und ihre Unterstützer bald abschreckten. Diese Situation schwächte die Aussicht auf Erfolg des Aufstandes entscheidend.

Der Aufstand dauerte bis zum Mai 1939. An seinem Höhepunkt im Herbst 1938 waren etwa 20.000 palästinensische Kämpfer beteiligt. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg endete der ernsteste und langwierigste arabische Aufstand gegen die britische Besatzung mit mehreren tausend Todesopfern und einer De-facto-Niederlage.

Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust

Die Niederlage des Aufstands wurde mit einer scharfen Wendung in der Politik des britischen Imperialismus geahndet. Die Briten befürchteten, dass sobald ihre Streitkräfte an anderen Fronten eingesetzt werden mussten, ein neuer arabischer Aufstand ausbrechen würde. Darüber hinaus wollte der britische Imperialismus die arabische Bourgeoisie nicht zu seinem Feind machen, um zu verhindern, dass diese mit den Nazis kollaborieren.

Das von der Kolonialverwaltung entworfene Weißbuch (veröffentlicht am 17. Mai 1939) forderte zum ersten Mal eine Deckelung der jüdischen Einwanderung (höchstens 75.000 in den nächsten fünf Jahren) und starke Einschränkungen des Landerwerbs durch Juden. Außerdem wurde in Aussicht gestellt, in zehn Jahren einen nach dem Mehrheitsprinzip regierten, unabhängigen Staat gründen zu können.

Natürlich gewann der britische Imperialismus durch diesen Kurswechsel keine größere Unterstützung bei den Arabern. Er beeinträchtigte jedoch Großbritanniens enges Verhältnis zur zionistischen Führung. Die britische Kehrtwende (genau in dem Moment, in dem die Angst vor der antisemitischen Politik der Nazis zunahm) wurde von den Zionisten als Verrat empfunden.

Die britischen Behörden hatten den Übergang der Hagana zur „aggressiven Verteidigung“ gegen die Palästinenser gefördert. Im Mai 1938 gründete die Hagana „Feldkompanien“, um aufstandsbekämpfende Taktiken in ländlichen Gebieten anzuwenden. Einen Monat später wurden die Special Night Squads geschaffen, die das Ziel hatten, nachts arabische Viertel und Dörfer, die den Aufstand unterstützten, zu terrorisieren. Dieselben Taktiken würden ein Jahrzehnt später in viel größerem Ausmaß von den Zionisten eingesetzt werden, um im Vorfeld der Gründung Israels dafür zu sorgen, dass die Palästinenser in Panik aus ihren Dörfern und Häusern fliehen.

Anfang des Jahres 1939 wurden drei geheime Einheiten mit der Bezeichnung Plugot meyuchadot („Spezialoperationen“) gegründet, um einerseits Repressalien in arabischen Dörfern und an Guerillaeinheiten auszuüben und andererseits britische Einrichtungen anzugreifen und Informanten auszuschalten. Diese Einheiten waren David Ben-Gurion direkt unterstellt.

Die ersten Berichte über Massendeportationen von Juden begannen sich langsam zusammen mit den jüdischen Flüchtlingen aus Europa zu verbreiten, was enorme psychologische Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung der Diaspora (besonders in den USA) hatte, die die abscheulichen Einwanderungsbeschränkungen der britischen Behörden unerträglich fanden.

Doch die Haltung der zionistischen Führung zur Bedrohung durch die Nazis war von Zynismus geprägt. Im Dezember 1938, einen Monat nach dem Nazi-Pogrom, das später als Kristallnacht bekannt wurde, sagte Ben-Gurion: „Wenn ich wüsste, dass es möglich wäre, alle (jüdischen) Kinder Deutschlands zu retten, indem man sie nach England schickt oder nur die Hälfte davon zu retten, indem man sie nach Eretz Israel schickt, würde ich die zweite Option wählen – weil wir nicht nur mit der Anzahl dieser Kinder, sondern auch der historischen Bilanz des jüdischen Volkes konfrontiert sind.“ Im Dezember 1942 meinte er erneut: „Die Katastrophe des europäischen Judentums ist nicht unmittelbar meine Angelegenheit…“

Die zionistische Führung nutzte die Verzweiflung der aus Europa flüchtenden Juden, um die internationale Unterstützung für den Zionismus zu stärken und um sich der Blockade der britischen Behörden, die um jeden Preis entschlossen waren, der illegalen Einwanderung ein Ende zu setzen, offen zu widersetzen.

Ein Teil des zionistischen rechten Flügels lehnte jedoch jegliche Zusammenarbeit mit den Briten ab. Im November 1944 verübten die Lochamei Cherut Israel (LECHI), die „Kämpfer der Freiheit Israels“ (auch als Stern-Bande bekannt), in Kairo ein Attentat auf den britischen Nahostminister Lord Moyne.

Eine Reihe von Flüchtlingsbooten wurde in offener Missachtung des britischen Verbots zu Wasser gelassen, was ein Tauziehen mit den Mandatsbehörden zur Folge hatte, die beschlossen hatten, alle Versuche zu verhindern und tausende Flüchtlinge nach Mauritius und Zypern in Konzentrationslager zu deportieren. Die Flüchtlinge waren Schachfiguren, gefangen in einem zynischen Machtspiel, das zu mehreren Tragödien führte. Im November 1940 sprengte die Hagana die SS Patria, ein Schiff im Hafen von Haifa, auf dem 1.700 Einwanderer nach Mauritius deportiert werden sollten, und verursachte 252 Todesfälle. Ein weiteres Schiff, die Struma, sank mit 769 Flüchtlingen an Bord am 25. Februar 1942 im Schwarzen Meer, nachdem die britischen Behörden den Transport untersagten (alle bis auf eine Person kamen ums Leben).

Sehr wenige jüdische Flüchtlinge flohen während des Krieges nach Palästina, während die Nazis sechs Millionen Juden in Europa vernichteten, ebenso wie Millionen von Slaven, Roma, Kommunisten und Antifaschisten verschiedenster Nationalitäten, Religionen und politischer Orientierungen.

Von der Nakba zur Intifada und den Oslo-Abkommen

Lange vor der Ausrufung des Staates Israel (14. Mai 1948) entpuppte sich der zionistische Traum von der Gründung eines Staates, der die Juden beschützen und dem biblischen Land Israel neues Leben einhauchen sollte, schlichtweg als Albtraum.

Der Slogan „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“, der in verschiedenen Varianten von der zionistischen Propaganda ausgerufen wurde, war eine Mystifizierung der realen Situation Palästinas. Er blendete die lästige Anwesenheit der Palästinenser, die das Land bewohnten, aus.

Die zionistische Führung verstand jedoch nur zu gut, dass ein Konflikt mit der arabischen Mehrheit um die Kontrolle über Palästina unausweichlich war. David Ben-Gurion, das erste Oberhaupt des neugeborenen Staates Israel, sagte bereits 1919 auf einer zionistischen Führungssitzung: „Jeder sieht Schwierigkeiten in der Frage der Beziehungen zwischen Arabern und Juden. Aber nicht jeder sieht, dass es keine Antwort auf diese Frage gibt. Keine Antwort! Dieser Abgrund lässt sich mit nichts überbrücken… Ich wüsste nicht, welcher Araber zustimmen würde, dass Palästina den Juden gehören sollte… Wir als Nation wollen, dass dieses Land unser sei; die Araber als Nation wollen, dass das Land ihnen gehört.“

In den Augen der zionistischen Führer stellte jeder Siedler, der Palästina betrat, einen weiteren Soldaten im Krieg um die Eroberung des Landes dar. Alle ihre Handlungen hatten das Ziel, Bedingungen zu schaffen, die ihnen ermöglichen würden, die Mehrheit der arabischen Bevölkerung aus Palästina zu vertreiben und die Geburt des israelischen Staates herbeizuführen.

„Der Versuch, die jüdische Frage durch die Zuwanderung von Juden nach Palästina zu lösen, zeigt sich jetzt als das, was er ist: eine tragische Verhöhnung des jüdischen Volkes.“ Diese Zeilen schrieb Leo Trotzki im Juli 1940 und bezog sich auf die Kehrtwende des britischen Imperialismus, der zuerst die jüdische Einwanderung befürwortete, nur um dann zu versuchen, diese gewaltsam aufzuhalten, als sie nicht mehr seinen Interessen entsprach. Trotzki zeigte auf, dass jede Lösung der Judenfrage auf Basis eines morschen kapitalistischen Systems eine blutige Falle für Abertausende Juden werden würde. Trotzki erlebte das Kriegsende nicht mehr und konnte nicht miterleben, welche Auswirkungen das neue Kräfteverhältnis der Nachkriegszeit auf die Perspektiven des Zionismus haben würde.

Im neuen Kräftegleichgewicht, das aus dem Krieg hervorging, wurde plötzlich möglich und schließlich zur Realität, was zuvor unwahrscheinlich erschien. Israel wurde auf den Ruinen des britischen Mandatsgebietes gegründet. Allerdings wurde der Staat auf palästinensischem Blut gegründet. 750.000 Palästinenser wurden aus ihrem Land vertrieben. Der neue Staat entstand um den Preis, dass er sich auf die systematische Unterdrückung der Palästinenser stützen musste. Das zionistische Projekt enthüllte sich als reaktionäre Utopie voller tragischer Konsequenzen. Seine Umsetzung schuf Wunden, die nach über siebzig Jahren noch immer offen sind.

Seit seiner Gründung ist die Geschichte Israels von Kriegen durchzogen. Die Liste ist lang und wir beziehen nur die wichtigsten Kriege mit ein. Wie wir bald sehen werden, ging Israel aus dem sogenannten „Unabhängigkeitskrieg“ von 1948-49 hervor, den die Palästinenser und die arabische Welt als Nakba (Katastrophe) bezeichnen. Darauf folgte 1956 der Suezkrieg; 1967 der Sechstagekrieg; 1973 der Jom-Kippur-Krieg, sowie drei Einmärsche in den Libanon in den Jahren 1978, 1982 und 2006, unzählige Bombenanschläge und Gefechte während des jahrzehntelangen Zermürbungskrieges gegen die Hisbollah im Südlibanon, und ein halbes Dutzend „Kriege“ (meist schwere Bombardements aus der Ferne) gegen die Hamas in Gaza. Die Geschichte Israels ist gekennzeichnet von unzähligen palästinensischen Widerstandsbewegungen, wie etwa Massenaufstände (die erste Intifada 1987-1992 und die zweite Intifada 2000-2003) der unbeugsamen Bevölkerung jener Gebiete, die 1967 besetzt wurden.

Anstatt ein „Schutzraum“ für Juden zu sein, stellte sich heraus, dass die konkrete Realität des „Gelobten Landes“ eine belagerte Festung darstellt, die von feindseligen Völkern und Gegnern umzingelt ist. Die israelische herrschende Klasse nutzte diese Kriege gekonnt aus, um eine tiefe „Belagerungsmentalität“ in der Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in Israel und Israels Unterstützern in der jüdischen Diaspora zu verankern.

Zionistischer Terrorismus und der britische Abzug

Während des Krieges kollaborierten die meisten Zionisten und arabischen Nationalisten mit der britischen Armee. Eine jüdische Brigade von 23.000 Mann kämpfte unter dem Kommando der Alliierten. Der palästinensische Trupp zählte 9.000 Mann.

1944 machte das von den Zionisten erworbene Land in Palästina immer noch nicht mehr als 6,6% des britischen Mandatsgebietes aus. Doch der Zionismus wurde durch den Krieg wesentlich gestärkt. Die Jewish Agency war zumindest im Ansatz zu einem Halbstaat geworden, der über eine eigene Wirtschaft, eigene Institutionen und vor allem eine eigene Armee verfügte, die während des Krieges von den Alliierten zu Tausenden ausgebildet und bewaffnet worden war.

Sobald der Krieg vorüber war, wechselten die zionistischen Führer ihre Taktik. Zwischen 1945 und 1948 verbündeten sich die Hagana und die Irgun Zwai Leumi (die bewaffnete Miliz der zionistischen Rechten), um Angriffe gegen die britische Besatzung und die arabische Bevölkerung durchzuführen.

Die schwerste dieser zionistischen Terroranschläge versetzte der Mandatsverwaltung einen tödlichen Schlag mitten ins Herz. Am 22. Juli 1946 setzte die Irgun unter dem Kommando des zukünftigen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin genügend Sprengstoff ein, um den Südflügel des King David Hotels in Jerusalem in die Luft zu sprengen, wo sich das Hauptquartier der Zivilverwaltung des britischen Mandats befand. 91 Briten, Palästinenser und Juden wurden in der Explosion getötet, Dutzende wurden verletzt.

Diese plötzliche Eskalation machte die Lage für den britischen Imperialismus unhaltbar. Obwohl Großbritannien im Zweiten Weltkrieg zu den Gewinnern gehörte, ging es geschwächt aus dem Krieg hervor und sein Reich lag in Trümmern. Aus diesem Grund verkündete das Vereinigte Königreich im April 1947, innerhalb eines Jahres aus Palästina abzuziehen.

Das löste eine Debatte über den Status Palästinas aus. Das Zentrum der imperialistischen Macht verschob sich entscheidend zugunsten der aufstrebenden Weltmacht, den Vereinigten Staaten. Sie deuteten die britische Position zu Recht als Zeichen der Schwäche eines überstrapazierten und angeschlagenen Reiches und begannen, den jüdisch-palästinensischen Konflikt als „Keule“ zu schwingen, um den Einfluss ihres ehemaligen Verbündeten im Nahen Osten zurückzudrängen.

Am 29. November 1947 wurde die UN-Resolution 181 auf Druck der USA verabschiedet. Zusammengefasst teilt der UN-Plan Palästina in drei Gebiete auf: einen arabischen Staat (mit einer Fläche von 11.500 km² für 804.000 Palästinenser und 10.000 Juden); einen jüdischen Staat (11.400 km² für 558.000 Juden und 405.000 Palästinenser); und ein Gebiet (Jerusalem), das unter internationale Kontrolle gestellt werden sollte. Dieser Plan war utopisch, wenn man bedenkt, dass die beiden Staaten einer palästinensischen Wirtschaftsunion beitreten und Währung, Ressourcen und Infrastruktur (Häfen, Postämter, Bahnstrecken, Straßen) miteinander teilen hätten sollen, als ob nicht über 20 Jahre lang ein erbarmungsloser Krieg zwischen Zionisten und Palästinensern geherrscht hätte.

Die zionistische Offensive

Mit den britischen Besatzern auf dem Rückzug erkannte die zionistische Führung, dass sie die Chance hatte, das Vakuum zu füllen und die Bedingungen einer Teilung nach ihren eigenen Vorstellungen festzulegen.

Ende des Jahres 1947 entfesselten die Hagana, die Irgun und die Stern-Bande, nun im gemeinsamen Kampf verbündet, eine Terrorkampagne mit einer Reihe von koordinierten Angriffen auf palästinensische Dörfer mit Dutzenden zivilen Opfern. Die Angriffe intensivierten sich in den ersten Monaten des Jahres 1948: auf Tantura, Tira, Sasa, Haifa, Al-Husayniyya, Al-Sarafand; allesamt mit hunderten palästinensischen Opfern.

Am 9. April wurde die Bevölkerung des Dorfes Deir Yasin, nahe Jerusalem, von der Irgun niedergemetzelt. Das Rote Kreuz fand 254 Männer, Frauen und Kinder ermordet auf. Manche von ihnen waren verstümmelt und in ihre Brunnen geworfen worden. Begin prahlte öffentlich mit dem Massaker.

Aufgrund dieser Terrorkampagne, die durch von den Zionisten verbreitete Drohungen und Gerüchte verstärkt wurde, flohen hunderttausende unbewaffnete Palästinenser aus ihren Häusern, die später dem Erdboden gleichgemacht wurden, um eine Rückkehr unmöglich zu machen. Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge stieg innerhalb eines Monats von 60.000 auf 350.000. Dann nahm der zionistische Terror die Städte ins Visier: Am 22. April wurde Haifa mitten in der Nacht angegriffen, wobei 50 getötet und 200 verletzt wurden. 100 weitere wurden getötet und Hunderte verletzt, als die Zionisten eine Kolonne palästinensischer Frauen und Kinder angriffen, die versuchten zu fliehen.

Wie kann man sich solch eine Grausamkeit erklären? Die zionistischen Führer kalkulierten zynisch, soviel Land wie möglich zu erobern und die Rückkehr der palästinensischen Bevölkerung unmöglich zu machen: den Palästinensern Angst einzujagen, sie tatsächlich zu terrorisieren, zur Flucht zu zwingen und ihre Häuser niederzureißen – das war im Wesentlichen der Plan. All das, um eine Teilung Palästinas durchzusetzen, die vorteilhafter für den zukünftigen Staat Israel wäre.

Der Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 ausgerufen. Alle wichtigsten zionistischen Führer waren an den Massakern und dem großflächigen Terrorismus beteiligt. In dieser Hinsicht gibt es keine Unterschiede zwischen der zionistischen Linken und der Rechten. Mosche Dajan, Golda Meir, David Ben-Gurion, Menachem Begin und viele andere, der jüngere Ariel Scharon, Jitzchak Schamir und Jitzchak Rabin – die wichtigsten Führungspersonen des zukünftigen israelischen Staates – lernten aus ihren konkreten Erfahrungen, wie sehr die mit Stahl und Feuer vor Ort geschaffenen Machtverhältnisse den Rahmen möglicher Szenarien im Bereich der internationalen Diplomatie bestimmen. Eine Lehre, die sie sich aneignen und in den kommenden Jahrzehnten systematisch anwenden würden.

Die Nakba

Unmittelbar danach, am 15. Mai, marschierten ägyptische, syrische, libanesische und transjordanische Armeen in Palästina ein und erzielten in der ersten Phase gewisse militärische Erfolge. Die UN schlug im Juni einen Waffenstillstand vor, der von beiden Seiten akzeptiert wurde, aber nur den Zionisten half, sich zu organisieren und aufzurüsten.

Der Gegenangriff der zionistischen Armee nach dem 8. Juli brach den Widerstand der arabischen Streitkräfte, die schlecht koordiniert und häufig der Leitung britischer Offiziere unterstellt waren. Die Führer der arabischen Regimes gaben nie den Versuch auf, heimlich eine Einigung mit den Zionisten zu erzielen, um ihre eigenen Interessen zu fördern. Abdallah I., der König von Transjordanien, traf sich mehrere Male mit Golda Meir und Mosche Dajan, um über die Annexion der Westbank durch sein Königreich zu verhandeln (welche sich im Dezember 1948 ereignete), während die Ägypter den Gazastreifen besetzten.

Die zionistischen Führer waren fest entschlossen, alle Hindernisse zu beseitigen. Der UN-Vermittler Graf Folke Bernadotte wies am 13. September Israel an, die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen und deren Häuser wiederaufzubauen. Vier Tage später wurde er zusammen mit seinem Assistenten, dem französischen Oberst Serot, von der Stern-Bande ermordet.

Die Waffenstillstandsabkommen von 1949 besiegelten die arabische Niederlage und beendeten, was die Israelis als ihren „Unabhängigkeitskrieg“ betrachteten. Wieder einmal leugnete die von den Siegern geschriebene Geschichte jegliche Hinweise auf die erfolgten Massaker und Gräueltaten und versuchte, diese aus den offiziellen Aufzeichnungen zu entfernen. Für die Palästinenser war 1948 stattdessen das Jahr der Nakba, der Katastrophe, einer Niederlage, die die palästinensischen Massen über zwanzig Jahre lang in einen tiefen Zustand der Unterwerfung und der Apathie befördern sollte.

Die Flüchtlingsfrage und die „israelischen Araber“

Von insgesamt 750.000 palästinensischen Flüchtlingen flohen 39% in das Westjordanland; 10% landeten in Jordanien; 26% flohen in den von Ägypten besetzten Gazastreifen, dessen Bevölkerung sich innerhalb weniger Wochen verdoppelte; 14% flohen von Nordpalästina in den Libanon und 10% überquerten die Golanhöhen nach Syrien. Nur wenige (1% der gesamten Bevölkerung) entkamen nach Ägypten. Fast alle Flüchtlinge wurden unter völligen Armutsbedingungen in „vorübergehenden“ Lagern am Rande der Städte zusammengepfercht, und diese Bedingungen blieben für sie und ihre Nachkommen bis heute bestehen, obwohl sich die Flüchtlingspopulation verachtfacht hat.

1950 wurde das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (englisch: United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees – UNRWA) gegründet. Seitdem erreichte die Anzahl der registrierten Flüchtlinge aus der Vertreibung 1948 sowie deren Kinder laut offiziellen Angaben der UNRWA – drei Generationen später – die schwindelerregende Zahl von 5,9 Millionen, wobei diese Summe die Flüchtlinge aus dem Sechstagekrieg von 1967 nicht berücksichtigt. Mehrere Generationen kennen nur diese Lager und Zustände. Viele der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und ihre Nachfahren haben keine Staatsbürgerrechte in den Ländern, die sie beherbergen, geschweige denn in Israel, und sind auf die Unterstützung der UNRWA angewiesen.

Die Frage des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr steht im Mittelpunkt der Palästinenserfrage. Sie kann im Kapitalismus nicht gelöst werden. Nur eine sozialistische Revolution im Nahen Osten und die Errichtung einer sozialistischen Föderation aller Völker mit dem Recht auf Selbstbestimmung für Minderheiten kann die Bedingungen schaffen, unter denen die seit Jahrzehnten klaffenden Wunden heilen können. So kann materiell die Grundlage für die Lösung der Frage gelegt werden, die alle Missstände beenden kann, ohne ein weiteres monströses unterdrückerisches System zu schaffen.

Etwa 150.000 Palästinenser verblieben auf ihrem Land innerhalb der „Grünen Linie“, dem 1948 von Israel besetzten Gebiet. Heute machen sie mehr als 20% der israelischen Bevölkerung aus. Der israelische Staat enteignete mithilfe von Ad-hoc-Gesetzen Grundbesitze und Ländereien der Geflüchteten und untergrub systematisch die Rechte der verbliebenen Palästinenser, mit Gesetzen wie dem Gesetz über das Eigentum von Abwesenden (1950), dem Gesetz über den Erwerb von Land (1953) und weitere. 1952 wurde den arabischen Israelis (die Palästinenser innerhalb der Grünen Linie) durch das Staatsbürgerschaftsgesetz formell die Staatsbürgerschaft gewährt.

Doch bis 1966 unterlagen die Palästinenser in Israel dem Kriegsrecht, und sie lebten in einem Zustand der Segregation mit immensen Bewegungseinschränkungen, wodurch die israelischen Behörden sogar den Besitz derer enteignen konnten, die innerhalb des Landes vertrieben und physisch an der Rückkehr zu ihren Häusern gehindert wurden.

Innerhalb weniger Jahre schrumpfte die Zahl der palästinensischen Dörfer, die die Nakba überlebt hatten, von 550 auf 100. Über 25% der palästinensischen Bauern wurden enteignet und mussten in „Geisterdörfern“ Zuflucht suchen, die in Israel als verboten galten und regelmäßig von der Armee dem Erdboden gleichgemacht wurden, nur um später wiederaufgebaut zu werden. Ihre Standorte wurden aus den Landkarten gestrichen.

Nach 1967 lockerte die israelische Regierung den Druck auf die palästinensische Bevölkerung und bemühte sich um eine stärkere Integration der israelischen Araber, während sie die neuen territorialen Eroberungen des Sechstagekriegs festigte: die besetzten Gebiete der Westbank, Gaza, die Golanhöhen und Ostjerusalem.

Die Festigung des israelischen Kapitalismus

Für die Palästinenser stellte Israel ein feindseliges Regime dar, das ihr Land an sich riss und verantwortlich für Völkermord und Massendeportationen war. Für die jüdischen Flüchtlinge, die aus Europa, nach der Schoa, oder aus der arabischen Welt, wo das jahrhundertealte Gleichgewicht der Koexistenz durch die Folgen der Nakba zerbrochen war und es hunderttausenden Juden unmöglich machte zu bleiben, weiter zuwanderten – für sie wurde Israel immer mehr zur besten Möglichkeit, ihre durch Krieg und Verfolgung zerstörten Leben wiederaufzubauen.

Zwischen 1948 und 1951 hatte sich Israels Bevölkerung mehr als verdoppelt (von 650.000 auf 1,4 Mio.) und stieg aufgrund der jüdischen Zuwanderung in den folgenden Jahrzehnten weiter rasch an. Israels Bevölkerung erreichte 1973 über 3 Millionen und hat inzwischen die 9-Millionen-Marke überschritten.

Die israelische zionistische Bourgeoisie und der Imperialismus konnten die Entschlossenheit der jüdischen Massen, einen Ort zu errichten, in dem sie vor Verfolgung Zuflucht finden würden, mit bemerkenswertem Zynismus ausnutzen. Während der 1950er und 1960er Jahre nutzten sie die Masse der jüdischen Flüchtlinge als günstige und stets erneuerbare billige Arbeitskraft für die Industrie und falls notwendig als Soldaten, um Israels Vormachtstellung in der Region zu sichern. Die beachtliche Entwicklung des israelischen Kapitalismus hätte aber ohne wesentliche Subventionen und Investitionen der USA (von 1949 bis Mitte der 1990er geschätzt 140 Milliarden US-Dollar) nicht stattgefunden.

Trotz des erheblichen Zuzugs an Einwanderern wurden über die Jahre immer mehr israelische Juden innerhalb von Israel geboren: 27,7% im Jahr 1949, 44% im Jahr 1968, 57% im Jahr 1981. Heute machen die in Israel geborenen Juden 75% aus. Die hebräische Sprache, die Ende des 19. Jahrhunderts von Eliezer Ben-Jehuda entworfen worden war, schlug unter den jüngeren Generationen vermehrt ihre Wurzeln und ersetzte allmählich das Jiddisch der Aschkenasim und das Ladino der Sephardim. Viele Israelis der zweiten Generation gaben die Sprachen ihrer Herkunftsländer auf.

Die jüdischen Massen waren natürlich unempfänglich für die nationalistische Propaganda der arabischen Regime, die sie als Feinde darstellten, die vernichtet werden müssen. Die ständige militärische Bedrohung durch die arabischen Nachbarregime sowie die Taktiken des Individualterrorismus, die von den palästinensischen nationalistischen Organisationen seit Mitte der 1960er angewandt wurden, trieben die Mehrheit der Israelis in die Arme des zionistischen Staates. Dies half dem Zionismus, basierend auf der Angst, dass die Araber sie zerstören wollten, bei der Herausbildung eines israelischen Nationalbewusstseins.

Der Wirtschaftsboom der 1950er bis 1970er Jahre, verstärkt durch die Hilfe der USA, bedeutete, dass die israelischen Arbeiter (zu einem gewissen Maß auch die arabisch-israelische Minderheit) einen deutlich höheren Lebensstandard erreichen konnten als die arabischen Massen in den Nachbarländern. Diese materiellen Errungenschaften stellen für die israelischen Arbeiter ein Kapital dar, das verteidigt werden musste, besonders, wenn Angriffe von außen drohten.

Obwohl die palästinensische Minderheit in Israel stark diskriminiert wurde, waren sich viele bewusst, welche Trostlosigkeit und welches Elend die autokratischen und reaktionären arabischen Regime bereithielten.

Die saudische Monarchie, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und der Rest der ölreichen Golfstaaten erklärten sich zwar zu „Freunden“ der Palästinenser und finanzierten die PLO, bedienten sich aber hunderttausender Palästinenser und anderer armer Gastarbeiter, um sie unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten zu lassen. Sie gaben gut acht, ihnen keine politischen oder gewerkschaftlichen Rechte einzuräumen, geschweige denn Bürgerrechte, und beuteten sie gnadenlos aus. Bis in die frühen 1990er wurde dieses Spiel weitergetrieben, bis die Auswirkungen des Ersten Golfkrieges die Regime dazu veranlassten, von den palästinensischen Arbeitern abzulassen und den Blick nach Indien, Pakistan und Nepal als Hauptquelle billiger Arbeitskräfte zu werfen.

Klassenwidersprüche in Israel

Abgesehen von diesen grundlegenden Faktoren, die dem israelischen Kapitalismus eine gewisse Unterstützung garantierten, vor allem wenn er bedroht war, muss gesagt werden, dass die israelische Gesellschaft tief polarisiert und von Homogenität weit entfernt war und auch heute noch ist.

1974 lösten gewaltsame Proteste der israelischen Black Panthers eine Regierungsuntersuchung aus. Diese Proteste waren vom zionistischen Staat rabiat unterdrückt worden. Die Untersuchung befasste sich mit den Lebensbedingungen der sephardischen Juden, die großteils ab 1948 aus Nordafrika, dem Irak, Jemen und den übrigen Regionen des früheren Osmanischen Reichs nach Israel gekommen waren und die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Israels ausmachten.

Diese Untersuchung enthüllte ein ausgebeutetes „zweites Israel“. 92% der unterernährten Kinder und 90% der jüdischen Häftlinge waren sephardischer Abstammung; nur 17% von ihnen hatten eine Oberschulausbildung – im Gegensatz zu 41% der europäischen Juden (Aschkenasim); in den Universitäten waren 20% sephardischer Abstimmung und 78% Aschkenasim. Die Sephardim gehörten zu 62% der Arbeiterklasse an (Aschkenasim: 39%) und zu 5% der Bourgeoisie (Aschkenasim: 14%). Der Höhepunkt der sozialen Diskriminierung war die geringe Anzahl von „Mischehen“: Nur 17%. Der radikale Aufstand der sephardischen Jugend in Israel gegen Unterdrückung und Diskriminierung fand sein Vorbild nicht zufällig im Kampf der Black Panthers in den USA.

In den vergangenen Jahrzehnten ist der israelische Kapitalismus immer ungleicher geworden. 1992 entfielen auf die reichsten 10% der Bevölkerung 27% des Nationaleinkommens, auf die ärmsten 10% nur 2,8% davon (CIA World Factbook 1999). Seitdem hat sich die Ungleichheit bedeutend verschärft. Laut dem World Inequality Report 2002, herausgegeben vom World Inequality Lab, ist „Israel eines der ungleichsten Länder mit hohem Einkommen. Das kaufkraftbereinigte Durchschnittseinkommen der unteren 50% der Bevölkerung beträgt 11.200 Euro oder 57.000 Schekel, während die oberen 10% 19-mal mehr verdienen (211.900 Euro oder 1.096.300 Schekel). Die Ungleichheit ist damit auf einem ähnlichen Niveau wie in den USA: Auf die unteren 50% der Bevölkerung entfallen 13% des nationalen Gesamteinkommens; auf die oberen 10% entfallen 49%.“

Die wirtschaftliche und militärische Macht Israels wurde nicht weniger als in jedem anderen kapitalistischen Land auf der Ausbeutung errichtet, der Ausbeutung der israelischen und palästinensischen Arbeiterklasse. Tatsächlich demonstrieren diese Zahlen, was die Spaltung der Arbeiterklasse bedeutet. Der israelische Staat gründet sich auf der Unterdrückung und systematischen Diskriminierung der Palästinenser, aber das bedeutet nur die kontinuierliche Ausbeutung der Palästinenser und der normalen israelischen Arbeiter, während die israelischen Kapitalisten gewaltige Vermögen angehäuft haben.

Ein Wendepunkt: Der Sechstagekrieg

Das Jahr 1967 war eine Zeitenwende in der Geschichte des Mittleren Ostens. Bis dahin hatten die meisten palästinensischen Flüchtlinge in den verschiedenen arabischen Ländern die Hoffnung gehegt, dass durch eine Intervention der Streitkräfte Ägyptens, Syriens und Jordaniens eines Tages die Wiederherstellung der Rechte der Palästinenser garantiert werden könne.

Nach einem Monat zunehmender Scharmützel und Spannungen entfesselte die israelische Luftwaffe am Morgen des 5. Juni einen Blitzangriff auf die Flughäfen Ägyptens und Jordaniens. 90% der Luftwaffe dieser Länder wurde zerstört, bevor die Flugzeuge auch nur abheben konnten. Am selben Tag marschierte die IDF im Westjordanland und Gaza ein und besiegte nach wenigen Tagen erbitterter Kämpfe die jordanische Arabische Legion und die in Gaza stationierte ägyptische Armee. Am sechsten Tag eroberten sie Gaza und am siebten Jerusalem, womit die Besatzung des Westjordanlandes vollendet war. Vor den Augen der fassungslosen arabischen Welt hatte Israel am 10. Juni nicht nur das ganze britische Mandatsgebiet Palästina unter seiner Herrschaft vereint, sondern auch die syrischen Golanhöhen und die ägyptische Sinai-Halbinsel besetzt, seinen arabischen Feinden eine erschütternde Niederlage zugefügt und eine neue Flüchtlingswelle 300.000 palästinensischer Flüchtlinge ausgelöst.

Die verheerende Niederlage im Sechstagekrieg wirkte sich auf das palästinensische Volk jedoch nicht derart demoralisierend aus wie die Nakba. Jetzt überwog nicht die Resignation, sondern die Wut. Die Niederlage der Araber beendete (entgegen den Prognosen der zionistischen Strategen) alle verbliebenen Illusionen darüber, dass eine Intervention von außen „es richten“ könnte.

Die Palestine Liberation Organization (Palästinensische Befreiungsorganisation, PLO) war 1964 durch einen Beschluss der Arabischen Liga auf ihrem ersten Gipfeltreffen gegründet worden. In den ersten Jahren war sie nichts weiter als ein Anhängsel der Regime, die in der Liga vertreten waren. Sie war mit wachsendem Widerstand von seiten des palästinensischen Widerstandes konfrontiert, etwa von Kräften wie der Fatah, der Guerillaorganisation von Yassir Arafat, und anderen, die wie er die Gelegenheit gehabt hatten, in den frühen 1960er Jahren die Gefängnisse der „befreundeten“ Regimes von innen zu sehen. 1967 drückte sich die unterschwellige Radikalisierung des palästinensischen Kampfes in der Gründung der Volksfront für die Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine, PFLP) unter George Habasch aus.

Der bürgerliche arabische Nationalismus war durch die krachende Niederlage im Sechstagekrieg völlig diskreditiert und entlarvt worden. Unter den Palästinensern, die sich mit einem Mal unter direkter israelischer Herrschaft befanden, und unter all jenen in den überfüllten Flüchtlingslagern Jordaniens, Syriens und Libanons entwickelte sich ein fruchtbarer Boden für Kritik am arabischen Nationalismus und den arabischen Regimes. Dieser Gärungsprozess gab dem palästinensischen Widerstand (insbesondere der Fatah und der neugegründeten PFLP) einen gewaltigen Auftrieb. Schließlich erlangte er eine Massenbasis in den Flüchtlingslagern.

Am 21. März 1968 zog die israelische Armee aus, das Hauptquartier des Widerstands im jordanischen Dorf Karameh anzugreifen. Die Kämpfer der Fatah aber waren gewarnt worden und schlugen den Angriff zurück. Die unvorhergesehene Härte des Widerstandes zwang die IDF zum Rückzug. 28 israelische Soldaten wurden getötet, 69 verletzt. Über 100 palästinensische Kämpfer wurden getötet, aber diese Episode löste in der ganzen arabischen Welt einen gewaltigen Gefühlsausbruch aus. Denn der palästinensische Widerstand hatte geschafft, woran die Armeen der arabischen Länder immer gescheitert waren: Der israelischen Armee ihre erste Niederlage zuzufügen. Das brachte die Fatah und Arafat 1969 an die Spitze der umkämpften PLO.

Der palästinensische Widerstand untergräbt die arabischen Regime

Die palästinensischen Flüchtlinge wurden dem Elend der überfüllten Flüchtlingslager überlassen. 1968 erreichte ihre Bevölkerungszahl anderthalb Millionen. Die Kapitalisten der jeweiligen Länder nutzten sie als billige Arbeitskräfte aus und hielten sie in erniedrigenden Lebensbedingungen. Der Aufstieg des Widerstandes in den späten 1960ern stellte den Stolz der Palästinenser wieder her und machte die Lager zu Zufluchtsorten für die Organisationen des Widerstandes.

Das machte die Lager und die Länder, in denen sie sich befanden, zu Angriffszielen für brutale israelische Vergeltungsmaßnahmen. Die ständigen Konflikte zwischen der Widerstandsbewegung und den Regierungen dieser Länder verschärften sich durch die Verbreitung revolutionärer Ideen unter den Palästinensern. Zunehmend betrachteten sie die palästinensische Revolution als Teil einer umfassenderen arabischen Revolution mit sozialistischem Charakter. Diese Positionen wurden durch das wachsende Prestige des palästinensischen Widerstandes gestärkt und stießen auf Gehör bei den libanesischen und jordanischen Massen.

Die erste Krise entlud sich 1969 im Libanon, der ohnehin von Spannungen zwischen der maronitisch-christlichen Minderheit und der muslimischen Mehrheitsbevölkerung geprägt war. Im Herbst 1969 kam es zu einem gewalttätigen Konflikt, in dem die libanesische Armee von der PLO besiegt wurde. Das Kairoer Abkommen beendete diese Konfrontation vorübergehend.

Der Schwarze September

Ähnliche Prozesse vollzogen sich schon seit geraumer Zeit in Jordanien. Die wachsende Abscheu, ausgelöst durch die engen Beziehungen zwischen der haschemitischen Monarchie unter König Hussein und dem US-Imperialismus sowie die unterdrückerischen Verhältnisse, denen der überwiegende Großteil der Bevölkerung ausgesetzt war, fand in der Perspektive einer palästinensischen Revolution einen Anknüpfungspunkt.

Die PLO gab sich große Mühe, eine direkte Konfrontation mit Hussein zu vermeiden, doch der revolutionäre Aufstand der jordanischen Massen zerschlug jedes Hindernis. Die Massenbewegung, die dem jordanischen Regime entgegentrat, war wegen des Zögerns der PLO ohne Führung. Im Sommer 1970 begannen die Zusammenstöße zwischen palästinensischen Widerstandskämpfern und der Armee zu eskalieren. Eine Reihe von Flugzeugentführungen (PanAm, Swissair und British Airways, aber ohne zivile Opfer) durch die PFLP waren der Vorwand, den Hussein brauchte, um die Repression vor der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen.

Doch der palästinensische Widerstand setzte sich durch und eroberte binnen weniger Wochen einen Großteil der Hauptstadt Amman. Hussein bildete am 16. September eine Militärregierung, die am Morgen des 17. September eine Offensive gegen die palästinensischen Flüchtlingslager begann. Armeeeinheiten der Beduinen, die von der revolutionären Stimmung weniger erfasst waren, bombardierten die Lager unter der Führung des Generals al-Madschali mit Phosphor und Napalmgeschossen und setzten Panzer gegen die Arbeiterviertel von Amman ein. Trotz des militärischen Kräfteungleichgewichts war der Widerstand so entschlossen, dass die Kämpfe noch fast zwei weitere Wochen anhielten. Am 27. September sah Hussein sich gezwungen, einen Kompromiss zu schließen. Die palästinensische Widerstandsbewegung sagte zu, Jordanien zu verlassen und sich in den Libanon zu begeben.

Die genaue Opferzahl des Schwarzen Septembers in Jordanien ist nie bekannt geworden. Palästinensische Quellen sprechen von 20.000 Toten, andere Quellen von 5-10.000 hauptsächlich zivilen Opfern.

Die Haltung der PLO-Führer und Arafats wurde von einem sehr großen Teil der palästinensischen revolutionären Bewegung, die nach den jordanischen Ereignissen in Trümmern lag, scharf kritisiert. Frustration und Wut über das von Hussein verübte Massaker und das Schweigen der anderen arabischen Nationen waren unter den Palästinensern weit verbreitet und ließen Raum für die Entwicklung extremistischer Terrororganisationen (z. B. der Terrorgruppe Schwarzer September).

Die diplomatische Wende der PLO

Die Niederlage in Jordanien trug nicht dazu bei, die wesentlichen Beschränkungen des palästinensischen Widerstandes zu beheben. Die Vorstellung von einem Befreiungskampf „von außen“ sprach den palästinensischen Massen der besetzten Gebiete nur eine rein passive Rolle zu. Paradoxerweise wurde das Bekenntnis der PLO zur „Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten der arabischen Länder noch verstärkt.

Die Beschränkung des Kampfes auf einen rein nationalen Rahmen verschob die Frage, welche Art von Gesellschaft im befreiten Palästina errichtet werden sollte, auf eine ungewisse Zukunft und gestattete so der PLO, eine trügerische Einheit mit den arabischen Regimes zu wahren. Das schützte sie aber nicht davor, von diesen Regimes bei der erstbesten Gelegenheit verraten zu werden, wenn die arabischen Massen versuchten, sich von ihren Ketten zu befreien und dabei in Konflikt mit den grundlegenden Interessen ihrer Unterdrücker gerieten.

Unter Arafats Führung erlangte die PLO die massenhafte Unterstützung der Palästinenser. Doch unter internationalem diplomatischem Druck, gerade von Seiten der arabischen Regimes, vollzog er eine 180-Grad-Wende: Die Idee, dass der Befreiungskampf vom palästinensischen Volk selbst geführt werden sollte, wurde verdrängt durch das Konzept des bewaffneten Kampfs als Instrument, um zusätzlichen internationalen diplomatischen Druck aufzubauen.

Am 6. Oktober 1973, dem Vorabend des jüdischen Jom-Kippur-Festes, wurde Israel von Syrien und Ägypten angegriffen. Der israelische Verteidigungsapparat wurde überrascht und erlitt eine empfindliche Niederlage. In den besetzten Gebieten beteiligte sich der palästinensische Widerstand an den Kämpfen. Jordanische, irakische und marokkanische Einheiten sowie eine symbolische Abteilung aus Tunesien beteiligten sich ebenfalls an diesem Krieg. Anfängliche Erfolge der arabischen Kräfte galten den arabischen Massen als Entschädigung für die schmähliche Niederlage des Jahres 1967.

Der Jom-Kippur-Krieg hatte eine entscheidende Auswirkung auf die israelische Gesellschaft: Er erschütterte die Gewissheit, dass die israelische Armee unbesiegbar sei. Allerdings organisierte sich die IDF schließlich neu und machte den verlorenen Boden wett, und am 22. Oktober kam es zu einem Waffenstillstand, als Israel bereits wieder die Oberhand gewonnen hatte.

So verstärkte sich die „diplomatische Wende“ weiter. Die PLO wurde am 27. November 1973 von der Arabischen Liga als „einzige legitime Repräsentantin des palästinensischen Volkes“ anerkannt. Im Mai 1974 wurde die Palästinensische Nationalcharta dahingehend abgeändert, dass erstmals die Perspektive einer teilweisen Befreiung Palästinas (und damit einer impliziten Anerkennung Israels) aufgestellt wurde. Arafat wurde eingeladen, am 13. November 1974 eine Rede vor den Vereinten Nationen zu halten. In seiner berühmten Rede verurteilte er den Zionismus, sagte aber: „Ich bin hierhergekommen mit einem Ölzweig in der einen und der Waffe des Freiheitskämpfers in der anderen Hand. Lasst den Ölzweig nicht aus meiner Hand fallen.“

Arafats Wende ermöglichte es den verräterischen arabischen Regimes, die Initiative zurückzuerlangen. Diese Linie verfolgte er um den Preis, die einzige wirkliche Kraftquelle des Widerstandes zu schwächen: Die Verankerung der Bewegung in den palästinensischen Massen.

Revolution und Konterrevolution im Libanon

Trotz der jordanischen Erfahrung und der Zusammenstöße von 1969 wuchs im palästinensischen Widerstand im Libanon das Vertrauen in seine immer größere Stärke. Im Libanon herrschten tiefe Spaltungen zwischen der von den Franzosen eingesetzten christlich-maronitischen herrschenden Klasse und den verschiedenen muslimischen, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Fraktionen.

Wie in Jordanien war auch hier die wachsende Autorität des palästinensischen Widerstandes eng mit der Entwicklung revolutionärer Bestrebungen der libanesischen Massen verknüpft. Die Palästinenser in den Flüchtlingslagern waren ein integraler Bestandteil der libanesischen Arbeiterklasse geworden. Die libanesischen Kapitalisten hatten ihre Arbeit jahrelang ausgebeutet, ihre Lager an die Stadtränder verlegt und versucht, die Flüchtlinge auszunutzen, um die starken Organisationen der libanesischen Arbeiterklasse zu schwächen. Diese zynische Berechnung hatte aber bald den Effekt, die palästinensische Befreiungsbewegung und die revolutionären Bestrebungen der libanesischen Arbeiter zusammenzuschweißen.

Die Zwangsumsiedelung tausender PLO-Kämpfer aus Jordanien machte den Libanon zwangsläufig zu ihrem Hauptstützpunkt. Ganze Stadtviertel von Beirut wurden von der PLO kontrolliert, die sich als Alternative zur Staatsmacht herauskristallisierte und dabei von weiten Teilen der libanesischen Massen unterstützt wurde. Im Umfeld der PLO kam es – ermöglicht durch Gelder, die dem Widerstand gespendet wurden – zu einem Aufblühen von verschiedenen sozialen Institutionen wie Schulen und Krankenhäusern, deren Leistungen oft eine höhere Qualität hatten als jene des libanesischen Staats. Die ganze Bevölkerung hatte Zugang zu diesen Institutionen.

Mitte der 1970er Jahre kippte das labile Gleichgewicht. Ein „Bürgerkrieg“ wurde von der christlich-maronitischen herrschenden Klasse, der Armee, den christlichen Phalange-Milizen und ihren Verbündeten angezettelt. Das war in Wirklichkeit ein konterrevolutionärer Klassenkampf mit dem Ziel, die Kontrolle dieser Kräfte über die Gesellschaft wiederherzustellen. Die libanesischen Massen und ihre Organisationen, etwa die Libanesische Nationalbewegung unter Kamal Dschumblat, mussten ebenso zerschlagen werden wie der palästinensische Widerstand. Israel intervenierte mit häufigen Einmärschen in den Südlibanon, um den Widerstand anzugreifen.

Am 26. Jänner 1975 intervenierten palästinensische Kämpfer, als die Armee versuchte, den Streik der Fischer in Sidon niederzuschlagen. Der palästinensische Widerstand zwang die libanesischen Sicherheitskräfte zum Rückzug und tötete zehn seiner Männer. Die christliche Phalange ging mit eisener Faust gegen die PLO vor. Im Februar wurde ein propalästinensischer libanesischer Abgeordneter, Maarouf Saad, angeblich von der libanesischen Armee erschossen. Am 13. April wurde ein Mordversuch am Phalange-Führer Pierre Gemayel damit vergolten, dass in einem Bus in das Flüchtlingslager Tall el-Zaatar sämtliche 27 Fahrgäste massakriert wurden, was wiederum Kämpfe in ganz Beirut auslöste.

Im gesamten Jahr 1975 beschränkte sich die Haltung der PLO darauf, die Milizen der libanesischen Linken mit logistischer Unterstützung und Waffen zu unterstützen. Die „abwartende“ Taktik der PLO diente lediglich dazu, den Konflikt in die Länge zu ziehen, aber die Entscheidung der Phalange, die Flüchtlingslager Dbayeh und Tall el-Zaatar zu belagern, zwang die bewaffneten palästinensischen Widerstandsgruppen dazu, sich mit aller Kraft in den Konflikt einzuschalten. Die konterrevolutionären Phalangisten wurden in die Berge gejagt, bis sie kurz vor der Niederlage standen. An diesem Zeitpunkt kam es zu einer spektakulären Kehrtwende.

Als die Möglichkeit der Bildung einer revolutionären Regierung der libanesischen Linken im Raum stand, brach die arabische Front der „Freunde“ des palästinensischen Kampfes zusammen. Ägypten und Jordanien fürchteten die Perspektive einer Ausbreitung der Revolution im gesamten Nahen Osten. Der offene Verrat kam jedoch von dort, wo man ihn am wenigsten erwartet hatte. Der Vorkämpfer des antiimperialistischen Kampfes, Hafez al-Assad, Syriens Baath-Präsident, vollzog eine spektakuläre Kehrtwende und entsandte im Juni 1976 syrische Truppen zur Unterstützung der Phalangisten.

Die syrische Intervention stellte das Kräfteverhältnis auf brutale Weise auf den Kopf. Der Widerstand musste sich unter schweren Verlusten in die Städte zurückziehen, während die Phalangisten, geschützt von der syrischen Armee, das Lager von Tall el-Zaatar erneut belagerten. Nach 52 Tagen, am 12. August, ergab sich Tall el-Zaatar und die Phalangisten und Syrer übten Rache, indem sie dreitausend Palästinenser bei der Räumung des Lagers massakrierten.

Syrien, das „fortschrittlichste“ aller arabischen Regime, hatte, sobald es sich durch die Entwicklung der Revolution – wenn auch nur indirekt – bedroht sah, keine Sekunde gezögert, sich auf die Seite des reaktionärsten Flügels der bürgerlichen Konterrevolution gegen denselben palästinensischen Widerstand zu stellen, dessen Hauptquartier es in Damaskus und Syrien beherbergt und jahrelang finanziert hatte.

Die herrschenden Cliquen der Arabischen Liga standen am Fenster und schauten erleichtert zu, ohne einen Finger zu rühren. Nach 19 Monaten Krieg und 60.000 Toten wurde der Libanon in Zonen aufgeteilt, in denen die verschiedenen Konkurrenten ihre Positionen durch einen fragilen „Waffenstillstand“ festigten. Trotz Assads Verrat verausgabte sich die Führung der PLO in demütigenden Verhandlungen, um die Kluft zu „flicken“ und die „arabische Front“ neu zu formieren.

Israelische Invasionen im Libanon

Für Israel war die bloße Anwesenheit palästinensischer Kämpfer auf libanesischem Boden unerträglich. Am 14. März 1978 marschierte Israel in den Südlibanon ein und überwältigte innerhalb weniger Tage den palästinensischen Widerstand, der von der libanesischen Armee im Stich gelassen wurde.

Unter dem Druck von US-Präsident Jimmy Carter beschloss der israelische Premierminister Jitzchak Schamir jedoch, sich zurückzuziehen, bevor er seine Ziele erreicht hatte. Carter hatte beschlossen, bilaterale Geheimverhandlungen zwischen Schamir und dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat zu unterstützen, die auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Ägypten abzielten. Am 18. September 1978 wurde in Camp David, einer Erholungsanlage des US-Präsidenten, ein Abkommen offiziell ratifiziert.

Für Israel war das Problem jedoch nicht gelöst. Am 6. Juni 1982 startete die IDF unter dem Kommando von Ariel Scharon, dem Verteidigungsminister der Begin-Regierung, eine zweite groß angelegte Invasion im Libanon. Die Invasion wurde zu einem Blutbad. Innerhalb weniger Stunden fiel ein Flammenmeer der israelischen Luftwaffe auf die Städte und Flüchtlingslager hernieder, während Panzerkolonnen auf Beirut vorrückten und eine Schneise von Tod und Zerstörung hinterließen: 14.000 Opfer allein in den ersten zwei Wochen.

Die IDF belagerte West-Beirut in einer tödlichen Umklammerung, die 78 Tage dauerte, in der alle Vorräte blockiert waren und die Stadt unerbittlich bombardiert wurde. 7.000 tote libanesische Zivilisten und eine nicht näher bezeichnete Zahl palästinensischer Opfer (deren genaue Zahl nie ermittelt werden wird) reichten nicht aus, um den Widerstand zu brechen.

Die Pattsituation ermöglichte es der imperialistischen Diplomatie, die vollständige Evakuierung des palästinensischen Widerstands aus dem Libanon auszuhandeln. Ende August 1982 verließen mehr als 10.000 palästinensische Kämpfer unter den wachsamen Augen einer französisch-italienisch-amerikanischen Truppe Beirut. Doch der Preis, den die Massen für den Erhalt der PLO-Strukturen zahlten, war extrem hoch. Die libanesische Bevölkerung und die zehntausenden Palästinenser, die sich weiterhin in den Flüchtlingslagern drängten, waren der Rache der Phalangisten, der pro-syrischen schiitischen Milizen von Amal, der syrischen Armee und der israelischen Armee ausgeliefert. Für sie garantierte allein ein in den Sand geschriebenes Abkommen, an dessen Einhaltung niemand Interesse hatte.

Die Rache der Israelis war unmittelbar und schrecklich. Zwischen dem 16. und 18. September, sobald das internationale „Friedens“-Kontingent den Libanon verlassen hatte (nachdem die verbliebenen palästinensischen Kämpfer entwaffnet und evakuiert worden waren), massakrierten die libanesischen Phalangisten unter dem Schutz der IDF 3.000 wehrlose palästinensische Flüchtlinge, indem sie die Flüchtlingslager Sabra und Shatila in Beirut 40 endlose Stunden lang verwüsteten.

Berichten zufolge beobachtete Ariel Scharon die Operation von der Spitze eines Gebäudes aus, 200 Meter von der Mauer des Lagers Schatila entfernt, von seinem Hauptquartier aus. Genau wie die Syrer sechs Jahre zuvor in Tall al-Zaatar leistete die israelische Armee lediglich logistische Unterstützung für die Phalangisten, indem sie das Gebiet mit Leuchtraketen beleuchtete, alle Fluchtwege aus den Lagern blockierte und die Phalangisten, die das Massaker durchführten, versorgten und unterstützten.

Die Auswirkungen des Massakers in Sabra und Schatila erschütterten sogar Israel. Am 25. September 1982 überschwemmte eine Massendemonstration von 400.000 Menschen, aus Abscheu gegen die Rolle der IDF und Scharons bei dem Massaker, die Straßen von Tel Aviv. Es wurde eine offizielle Untersuchung eingeleitet, um die Bewegung zu entschärfen und die Rolle der IDF zu vertuschen, aber selbst der beschönigende Bericht dieser Untersuchung konnte die persönliche Verantwortung von Ariel Sharon nicht verbergen. So musste er zurücktreten.

Die Führung der PLO zog nach Tunesien, wo Arafat und sein Gefolge in einem luxuriösen Exil lebten, bis sie 1994 nach Gaza zogen. Ihre ganze Energie wurde darauf verwendet, Verhandlungsstrategien zu entwickeln, Rivalitäten zwischen den arabischen Regimen zu jonglieren und „normale“ Beziehungen zu den Golfmonarchien wiederherzustellen.

Die Politik der PLO basierte zunehmend darauf, Stabilität im Nahen Osten gegen Zugeständnisse einzutauschen. Um an einem Verhandlungstisch in den Augen des US-Imperialismus und Europas Einfluss zu gewinnen, verließ sich Arafat auf den Widerstand und sogar zunehmend auf individuelle terroristische Taktiken (die von der PLO formell verurteilt wurden), während die Kraft der Massenwiderstandsbewegung infolge ihrer Niederlagen nachließ.

Die besetzten Gebiete am Vorabend der Intifada

Während der zwanzigjährigen militärischen Besatzung waren die besetzten Gebiete für Israel ein zusätzlicher Markt für seine Produkte und eine Quelle ungelernter Arbeitskräfte gewesen. Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, das Westjordanland und die Golanhöhen zu besetzen, war die Aneignung der Wasserressourcen der Region. Das Letzte, was Israel wollte, war, dass die Gebiete ein Eigenleben entwickelten.

Die israelische Regierung erdrückte schrittweise das wirtschaftliche Leben der besetzten Gebiete, die überwiegend auf die Landwirtschaft mit begrenztem Kleinhandwerk ausgerichtet war. Dadurch wurde die Lebensgrundlage der Bauern und Landarbeiter untergraben, die nun gezwungen waren, so wie bereits 120.000 Palästinenser, täglich zur Arbeit nach Israel zu pendeln (ein Anteil von einem Drittel der Arbeitskräfte im Westjordanland und 50% der Arbeitskräfte im Gazastreifen). Die Notwendigkeit, die „Grüne Linie“ zu überschreiten, wurde vom israelischen Staat als Vergeltungswaffe gegen palästinensische Arbeiter eingesetzt. Er drohte ständig mit willkürlichen Grenzschließungen.

Die Wirtschaft dieser Gebiete war (und ist) sogar grundlegende Konsumgüter betreffend vollständig von Israel abhängig. Die israelische Politik verschärfte die natürliche und historische wirtschaftliche Abhängigkeit der Gebiete vom Rest Palästinas. Im Jahr 1970 waren bereits 82% der Importe israelischen Ursprungs, 1987 stieg der Anteil auf 91%. Die hunderttausenden Palästinenser im Ausland unterstützten ihre Familien mit einer Vielzahl von Überweisungen, die damals 37% des BIP der Gebiete ausmachten. Auch heute noch machen Überweisungen einen erheblichen Teil (etwa 20%) des BIP des Westjordanlandes und des Gazastreifens aus. Dies trug paradoxerweise dazu bei, einen Markt aufrechtzuerhalten, in den israelische Produktionsüberschüsse exportiert werden konnten.

In den ersten zehn Jahren der Besatzung betrug die Gesamtzahl der israelischen Siedler in den besetzten Gebieten nicht mehr als 7.000. Mit der Machtübernahme des zionistischen rechten Likud im Jahr 1977 eskalierte die Kolonisierungspolitik jedoch rasch. In den folgenden zehn Jahren wurden auf palästinensischem Land 18.000 Häuser und 139 Siedlungen für insgesamt 80.000 Siedler gebaut. Um die Siedler von den Palästinensern zu trennen, wurde ein spezielles Straßennetz errichtet, was die Bewegungsfreiheit der Palästinenser stark einschränkte. Die wachsende Präsenz der jüdischen Siedler wurde zum abscheulichsten Ausdruck der Besatzung.

Die palästinensische Bevölkerung der Gebiete hatte während der zwanzigjährigen Besatzung eine bemerkenswerte Bevölkerungsexplosion erlebt. 1987 waren 75% der Bevölkerung unter 25 Jahre und 50% sogar unter 15 Jahre alt. Die Mehrheit hatte – am Vorabend der Intifada – nichts anderes gekannt als das zunehmend unerträgliche, demütigende und unterdrückerische Regime der israelischen Besatzung.

Die Intifada

Vier Jahrzehnte nach der Nakba und zwanzig Jahre nach dem Sechstagekrieg waren die Aussichten für den nationalen Befreiungskampf der Palästinenser düster. Die revolutionären Bewegungen in Jordanien und im Libanon waren blutig unterdrückt, der palästinensische Widerstand zerschlagen worden. Die enormen Opfer der palästinensischen Massen in den Flüchtlingslagern hatten keinen konkreten Nutzen gehabt. Israel hatte seinen Griff über ganz Palästina gefestigt.

Die Kluft zwischen der PLO-Führung in Tunis und der Realität in den besetzten Gebieten war so groß geworden, dass selbst Arafat mit seiner sonst so ausgeprägten Auffassungsgabe die zahlreichen Anzeichen eines Stimmungsumschwungs vor Ort nicht bemerkt hatte.

Einige Monate vor der Intifada hieß es in einem Bericht des West Bank Data Base-Instituts des israelischen Soziologen Meron Benvenisti: „Gewalt geht zunehmend von unorganisierten, spontanen Gruppen aus… Zwischen April 1986 und Mai 1987 wurden 3.150 gewalttätige Vorfälle registriert, angefangen vom einfachen Steinewerfen über Straßensperren bis hin zu etwa hundert Angriffen mit Sprengstoff oder Schusswaffen.“ Die zunehmende Radikalität der palästinensischen Bevölkerung unter Besatzung zeigte sich in den Tagen des 5. und 6. Juni, als anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der israelischen Besatzung ein Generalstreik stattfand.

Am 7. Dezember 1987 geschah etwas, was sowohl für den israelischen Geheimdienst als auch für die PLO-Führer völlig unerwartet war: Ein Vorfall, der sich auf die eine oder andere Weise öfters ereignete, löste einen spontanen Aufstand von zehntausenden jungen Menschen und Arbeitern gegen die israelische Besatzung mitten im Herzen der besetzten Gebiete aus. Diese Zone hatten die PLO-Führer als Schauplatz für Massenkämpfe längst abgeschrieben.

Ein IDF-Lastwagen kollidierte mit einem Zivilfahrzeug und tötete vier palästinensische Arbeiter. Ob es sich dabei um eine vorsätzliche Vergeltungsaktion der Soldaten für die Tötung eines Israelis in Gaza am Tag zuvor handelte oder nur um einen Unfall, spielte dabei eigentlich keine Rolle. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Dieser Funke entzündete das brennbare Material, welches die israelische Besatzung zwanzig Jahre lang produziert hatte.

Das Wort Intifada (ein Begriff, der mit „Abschütteln“ übersetzt werden kann) beschreibt die Reaktion der palästinensischen Massen gut. Nachdem er einmal begonnen hatte, warf der Aufstand innerhalb weniger Stunden das seit langem bestehende Kräftegleichgewicht über den Haufen und wurde über Monate hinweg immer stärker, was die Besatzungstruppen auf eine harte Probe stellte. Die Intifada hatte auch eine enorme internationale Auswirkung. Sie hatte innerhalb Israels die Unterstützung der israelischen Araber und löste auch bei der jüdischen Jugend immer mehr Abneigung gegen die brutalen Methoden zur Unterdrückung des Aufstands aus.

Selbst die brutalste Repression erwies sich als wirkungslos. Israel setzte systematisch Verwaltungshaftstrafen von bis zu einem Jahr ohne Anklage oder Gerichtsverfahren durch. Innerhalb weniger Monate kam es zu 9.000 Festnahmen; hunderte Menschen wurden getötet und tausende verletzt; es kam zu Zerstörungen von Häusern und Vergeltungsmaßnahmen gegen die Familien der Getöteten oder Festgenommenen; kollektive Repressalien gegen Dörfer oder Stadtteile fanden statt – gekrönt durch den Befehl des israelischen Verteidigungsministers Rabin, denjenigen, die beim Steinwerfen erwischt wurden (die meisten von ihnen waren Kinder), „Arme und Beine zu brechen“ – ein solch rücksichtsloses Maß an Repression führte zu nichts, außer die Revolte weiter anzuheizen.

Der Kampf nahm die Form von Generalstreiks, Straßenblockaden und Hinterhalten auf israelische Patrouillen an, die von den steinewerfenden Shebabs, den Burschen des Aufstands, angegriffen wurden. Es handelte sich um Formen des zivilen Ungehorsams wie einen Steuerstreik und die Weigerung, die von den israelischen Behörden festgelegten Öffnungszeiten der Geschäfte einzuhalten. In Ostjerusalem versuchte das israelische Militär während einer Aussperrung vergeblich, die Öffnung von Geschäften zu erzwingen.

Unter Drohungen sperrten die Ladenbesitzer auf und schlossen die Läden wieder, sobald die Soldaten abgezogen waren.

Seit den Anfängen der Intifada entstanden überall spontan Volkskomitees. Sie koordinierten zunächst Jugendgruppen, die mit Schleudern und brennenden Reifen gegen die Besatzungstruppen, IDF und Polizeipatrouillen kämpften. Im weiteren Verlauf des Kampfs verteilten die Volkskomitees während Streiks und Aussperrungen auch Grundversorgungsgüter und gründeten Gruppen, die mit dem Schutz der Gemeinden beauftragt waren. Diese Organe versammelten und organisierten die Jugend- und Arbeiteraktivisten (von denen die überwiegende Mehrheit nicht Teil bereits bestehender Organisationen war) und übernahmen die Führung des Kampfes, wobei sie sich um jeden Aspekt der unmittelbaren Bedürfnisse der Bevölkerung und deren Aufgaben kümmerten, die sich aus dem Kampf ergaben.

Spezifische Komitees organisierten verschiedene Aspekte des Kampfes. In Stadtteilen und Dörfern wurden Kliniken eingerichtet und das Bildungswesen wurde neu organisiert, nachdem die Schulen aller Ebenen im Februar 1988 von den Besatzungsbehörden geschlossen worden waren. Honorare, Mieten und Preise wurden gedeckelt. Man organisierte den Kampf gegen das Hamstern, den Boykott israelischer Produkte, die Verteilung knapper Vorräte. Sie versuchten sogar, auf die Nahrungsmittelkrise mit der Entwicklung von Subsistenzlandwirtschaft und Viehzucht zu reagieren. Es wurden Volksgerichte eingerichtet. Frauen spielten eine wichtige Rolle bei der Funktionsweise dieser zahlreichen Komitees.

Aufgrund der erdrückenden militärischen Besatzung konnten die Komitees ihr Potenzial als Alternativmacht zu den Kolonialbehörden durch eine Koordination auf allgemeiner Ebene nicht voll ausschöpfen. Während der ersten Phase der Intifada waren sie die Strukturen, durch die die Massen ihre Macht und Radikalität zum Ausdruck brachten.

Im Mai 1988, sechs Monate nach Beginn des Aufstands, gab es nach Schätzungen israelischer Quellen 45.000 aktive Komitees. Diese begannen sich auf Stadtebene zu koordinieren, während auf Initiative der wichtigsten Parteien der palästinensischen Linken (PFLP, DFLP und PCP) sofort ein einheitliches Intifada-Kommando eingerichtet wurde.

Anders als später behauptet wurde, wurde die PLO-Führung in Tunis durch die explosionsartige Entwicklung der revolutionären Mobilisierung in den Gebieten völlig gestürzt. Arafats Anweisungen wurden vom Einheitskommando weitgehend ignoriert, bis ein Jahr später, im September 1988, die israelische Repression die Bewegung ihrer ursprünglichen Führung enthauptet hatte.

Spaltungen in Israel

Die stärkste Armee der Region wurde gegen Kinder eingesetzt, die nur mit Steinen und Mut bewaffnet waren. Das erinnerte an den biblischen Mythos vom Kampf Davids gegen Goliath, nur dass David hier Palästinenser war. Die Besatzungstruppen führten routinemäßig Durchsuchungen durch, um „gefährliche Waffen“ wie Schulbücher, Medikamente und medizinische Hilfsgüter zu beschlagnahmen und zu verbrennen und die Gärten zu zerstören, die überall entstanden waren, um die in bitterer Not lebende Bevölkerung zu ernähren. Dies erschütterte das Selbstvertrauen der jungen IDF-Soldaten und löste bei Teilen der israelischen Jugend eine zunehmende Abneigung gegen die Besatzung aus.

Die scharfen Spaltungen erreichten im März 1988 ihren Höhepunkt mit der Gründung des Rats für Frieden und Sicherheit durch eine Gruppe pensionierter israelischer Generäle, deren Position von General Orr, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der IDF in der Nordregion (Libanon), folgendermaßen zusammengefasst wurde: „Wir sind uns alle einig, dass die Besatzung enden muss, denn ihre Aufrechterhaltung stellt eine weitaus größere Gefahr für unsere Sicherheit dar als ihre Beendigung.“ (Le Monde, 2. Juni 1988). Ihre Petition wurde vom ehemaligen Chef des Mossad (Yariv) und dem ehemaligen Verwalter des Westjordanlandes (Sneh) sowie von 30 Divisionsgenerälen und 100 Brigadegenerälen – der Hälfte der Reservegeneräle – unterzeichnet.

Schamir hingegen fasste den Beschluss, aus der Krise herauszukommen, indem er das Vorgehen in den Territorien noch verschärfte. Im August 1988 wurden die Volkskomitees verboten und für ihre Mitglieder wurden Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren verhängt. Ein Jahr nach ihrem Beginn bekam die Intifada die Folgen der Repression und der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage zu spüren.

Das Intifada-Kommando erkannte Ende 1988 die Autorität der PLO als „alleinige Vertretung des palästinensischen Volkes“ an. Am 15. November proklamierte Arafat die Unabhängigkeit eines palästinensischen Staates in den von Israel besetzten Gebieten. Die PLO machte sich daraufhin daran, die Kontrolle über die Mobilisierung in den Territorien zurückzugewinnen. Die Komitees wurden in die Wohlfahrtsstrukturen der PLO integriert und ihrer Rolle als embryonale Machtorgane der Masse der Palästinenser beraubt.

Dies versetzte dem Massencharakter der Intifada einen entscheidenden Schlag und eröffnete eine zweite, härtere Phase des Aufstands, der unter einer Schicht der Jugend eine verzweifelte Wendung nahm. Es ist kein Zufall, dass mit dem Nachlassen des Massencharakters des Aufstands die Rolle islamischer Gruppierungen wie Hamas und Islamischer Dschihad zunahm.

Die Hamas

Die Muslimbruderschaft spielte in der ersten Phase der Intifada keine Rolle. Die Hamas wurde als eigenständige Organisation gegründet, nachdem die Intifada bereits begonnen hatte, um die Interessen von Mujama Al-Islamiya zu schützen, der Organisation, die vom Führer der Gaza-Bruderschaft, Scheich Ahmed Yassin, gegründet wurde.

Ein aufschlussreicher Artikel von Andrew Higgins im Wall Street Journal aus dem Jahr 2009 beleuchtet die Rolle Israels bei der Förderung dessen, was später zur Hamas werden sollte.

Nach zwei Jahrzehnten der Unterdrückung durch das ägyptische Regime fand die Muslimbruderschaft im von Israel besetzten Gazastreifen günstige Bedingungen vor. Israel hatte Mujama Al-Islamiya in den 1970er und 1980er Jahren erlaubt, sich als Wohltätigkeitsorganisation zu registrieren, legal zu operieren und Geld und Vermögen anzuhäufen. Rund um die Organisation herum bot ein Netzwerk aus Schulen, Vereinen, Moscheen und der Islamischen Universität von Gaza der Muslimbruderschaft das perfekte Umfeld für die Entwicklung ihrer Aktivitäten. Israels Ziel war es, die islamischen Fundamentalisten zu nutzen, um die revolutionäre linke Bewegung des palästinensischen Widerstands zu untergraben.

Die Mujama lieferte sich heftige Auseinandersetzungen mit der palästinensischen Linken, um die Kontrolle über Institutionen wie den palästinensischen Roten Halbmond (die muslimische Version des Roten Kreuzes) zu erlangen, indem sie deren Büros stürmte.

Der Kampf entbrannte auf allen Ebenen. Islamisten griffen Kinos und Geschäfte an, die Alkohol verkauften. Das israelische Militär stand größtenteils abseits und schaute zu.

Die Beziehungen zwischen der Mujama und den israelischen Geheimdiensten wurden auch nach der Verhaftung von Scheich Yassin im Jahr 1984 aufrechterhalten und beinhalteten Beratungen auf höchster Ebene. Lange nach dem Ausbruch der Intifada erzählte Herr Hacham, ein israelischer Militärexperte für arabische Angelegenheiten, dass er einen der Gründer der Hamas, Mahmoud Zahar, im Rahmen regelmäßiger Besprechungen zu einem Treffen mit dem israelischen Verteidigungsminister Jitzchak Rabin mitnahm.

Das Massaker in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem im Oktober 1990 und die Verzweiflung, die nach einem so langen und perspektivlosen Kampf aufkam, schufen günstige Bedingungen für das Wachstum der Hamas.

Die Oslo-Abkommen von 1993

Arafat und die PLO unterstützten den Irak im Golfkrieg 1990. Saddam Hussein hatte die palästinensische Frage gegen den US-Imperialismus ins Feld geführt, indem er die Doppelmoral gegenüber dem Irak und Israel anprangerte und den Rückzug aus Kuwait anbot, sollte Israel dasselbe mit den besetzten Gebieten tun. Dies provozierte einen Bruch der PLO mit den USA, aber auch mit der Arabischen Liga, die sich hinter Bush gestellt hatte.

Die US-Imperialisten dachten, sie könnten Arafats Schwäche zu ihrem Vorteil nutzen. Die „Lösung der Palästinenserfrage“ wurde an einem Verhandlungstisch in Madrid im Sommer 1991 diskutiert. Die PLO beteiligte sich daran, die Hamas nannte es einen „Ausverkauf Palästinas“. Bilaterale israelisch-palästinensische Verhandlungen führten schließlich zur Unterzeichnung des Oslo-Abkommens, das am 13. September 1993 im Weißen Haus mit dem berühmten Händedruck zwischen Jassir Arafat und dem israelischen Premierminister Jitzchak Rabin offiziell besiegelt wurde.

Auf israelischer Seite stellten die Abkommen eine Anerkennung der durch die Intifada offengelegten Tatsache dar, dass eine weitere Durchsetzung der direkten Besetzung der Gebiete unmöglich war.

Rabin hatte den größten Teil seines Lebens damit verbracht, gegen die Palästinenser zu kämpfen. 1948 nahm er an den Angriffen auf Lydda und Ramle zwischen Tel Aviv und Jerusalem teil. Bei dieser Operation wurden hundert Menschen erschossen. 1967 war Rabin während des Sechstagekrieges Stabschef der IDF und erlangte danach den Status eines israelischen Helden. In den späten 1980er Jahren leitete er als Verteidigungsminister unter Schamir die israelische Repression gegen die Intifada und befahl israelischen Soldaten, palästinensischen Jugendlichen, die beim Steinewerfen erwischt wurden, die Arme zu brechen, was er später bestritt.

Gerade die Intifada überzeugte ihn davon, dass der Status quo unhaltbar geworden war. In einem Artikel im New Yorker (19. Oktober 2015) wurde Rabin zitiert, der 1988 einer Gruppe seiner Parteikollegen bei der sozialdemokratischen Awoda sagte: „Ich habe in den letzten zweieinhalb Monaten etwas gelernt. Unter anderem, dass man eineinhalb Millionen Palästinenser nicht mit Gewalt regieren kann.“

Rabins Worte veranschaulichen, wie tief der revolutionäre Aufstand der Intifada die Grundfesten der israelischen Besatzung erschüttert hatte. Dies zwang die zionistische Führung, ihre Taktik zu ändern. Rabins Autorität erlaubte ihnen dies, allerdings um den Preis, den wachsenden Unmut der zionistischen Rechten zu provozieren, der Rabin 1995 das Leben kostete.

Der „Erzfeind“, die PLO-Führung, wurde von der israelischen herrschenden Klasse in einem unsicheren Kompromiss kooptiert, der sich als Falle zusammenfassen lässt. Die PLO stimmte zu, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und gab die Forderung nach dem Recht der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 auf Rückkehr auf. Israel stimmte der Einrichtung einer Palästinensischen Autonomiebehörde in einem Teil der besetzten Gebiete des Gazastreifens und des Westjordanlands zu, die für die Sicherheit Israels verantwortlich gemacht werden sollte. Mit anderen Worten: Die PLO übernahm die Aufgabe der Überwachung ihres eigenen Volkes im Austausch für das Scheinbild eines palästinensischen Halbstaates, der auf allen Ebenen von der Willkür Israels abhängig ist. Die Einigung wurde unter der Schirmherrschaft der arabischen Regime, der „Freunde“ Palästinas und des US-Imperialismus erzielt.

Die Oslo-Abkommen stellten einen Wendepunkt in der Situation dar und begünstigten den Untergang des palästinensischen Widerstands. Die Hamas war die einzige bedeutende palästinensische Kraft, die sich den Abkommen widersetzte. So reiften die giftigen Früchte des vom US-Imperialismus gesteuerten sogenannten Friedensprozesses heran, der bis heute den Rahmen des israelisch-palästinensischen Konflikts prägt.

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